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Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir

Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir

Titel: Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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einem bestimmten Zweck, sonst würden Sie es mir nicht erzählen.« Er begann sich vor der Antwort zu fürchten und hatte das undeutliche Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben.
    Tremughati warf plötzlich den Kopf in den Nacken und lachte, aber es war kein fröhliches Lachen. »Das arme Kind«, sagte sie. »In diesem Wetter!«
    Der supremo zuckte zusammen. »Woher …? Ach, es spielt keine Rolle. Ja, es hat etwas mit einem Kind zu tun. Mit diesem Kind.«
    Eine Gruppe von mûnaks kam näher, Frauen und Männer. Sie trugen eine Art Sänfte. Als sie das Feuer erreicht hatten, setzten sie sie ab. Der supremo zog die schweren Vorhänge zurück. Im Inneren lag ein kleines Kind. Es schlief. Baraku da kannte sich nicht aus, schätzte aber, daß das Kind etwa ein halbes Jahr alt war. Das Gesicht war fiebrig rot.
    »Einhundertvierzehn«, sagte der supremo. »Das ist die Heilige Zahl, die Zahl der manifest gewordenen Tictans. Alle Menschen terranischer Abstammung sind Gefäße von Tictans, aber die Götter haben sich verkapselt, um nicht alle Schande und allen Makel zu spüren. Wir, die Einzig Wahrhaften Verehrer Allen Gottes, wissen, daß wir Tictans in uns tragen und eines Tages mit ihnen eins werden und zur Göttlichkeit gelangen können. Durch unsere Lebensführung, unser Studium und die Tilgung schädlicher Engramme konnten wir die Verkapselung des Göttlichen in uns öffnen. Und bei jeder Potenz oder Summe von Potenzen, deren Faktor einhundertvierzehn ist, schließen die halbentkapselten Tictans sich neu zusammen und gewinnen Kraft. Wenn die Kraft groß genug ist, wird der Rest der Verkapselung brechen, und wir alle, alle mûnaks von Banyadir, alle Einzig Wahrhaften Verehrer, werden befreit von den Fesseln und Teil der Großen Göttlichkeit.«
    Es war eine Art liturgischen Rezitativs; die umstehenden mûnaks bewegten ihre Oberkörper rhythmisch vor und zurück, während der supremo in einem seltsamen Singsang redete. Nun deutete er abermals auf das Kind. »Einhundertvierzehn zum Quadrat mal vier zum Quadrat ist zweihundertsiebentausendneunhundertsechsunddreißig. Dieses Kind hat die Zahl erfüllt. Und nun, durch den Zufall, der kein Zufall ist, durch die Pläne der AVs und die Maschinen der alten Shil, und durch Ihre Auskünfte, Barakuda, können wir die Fesseln der Verkapselung, die Würgeklammer hinfälli ger Leiblichkeit sprengen und göttlich werden.«
    Dante schloß die Augen. Die Zahl 207.936 – er hatte vor Jahren eine Abhandlung über die hirnrissigen Mythen der Mönche gelesen, in der auch diese Zahl genannt wurde. An geblich hatten sie bereits bei Erreichen der Heiligen Zahl 114 2 = 12996 den Weltuntergang erwartet und damals versucht, durch Kindermord, dann durch Aussonderung minder Begabter oder Achtung nicht vollkommen Angepaßter den Bevölkerungsstand zu halten.
    »Wenn durch eine gewaltige Erschütterung sämtliche Kapseln gleichzeitig sterben, ist die Göttlichkeit gewiß. Es ist nun nicht mehr wichtig, das Kind allen Klöstern zu zeigen.«
    Tremughati streckte die Hand aus, um das Kind zu berühren; man ließ sie gewähren, wenn auch drei mûnaks, mit blanken Dolchen, argwöhnisch jede Bewegung beobachte ten. Sie schloß die Augen. Plötzlich seufzte das Kind, lä chelte im Schlaf und drehte sich auf die andere Seite.
    »Was haben Sie gemacht?« sagte der supremo heftig.
    Tremughati öffnete die Augen wieder. »Die Kleine hatte Fieber, von der Reise durch den Winter. Ich habe sie geheilt. Sie kann ja nicht dafür.«
    »Was geschieht nun mit uns?« Barakuda ahnte die Antwort, noch ehe er die Frage stellte.
    »Sie beide werden uns begleiten. Der Zufall, daß dieses Kind und die große Maschine der alten Shil uns gleichzeitig gegeben werden, kann kein Zufall sein. Wir sorgen dafür, daß Shevshan und seine Leute keine Fehler machen. Daß die größtmögliche Sprengkraft erzielt wird.«
    Barakuda wiederholte: »Was geschieht mit uns?«
    »Sie beide werden dabei sein. Und Sekunden vor der Göttlichen Detonation werden wir Sie töten.«

 
    Aus: Beschreibung von Shilgat, Fulano de Tal, Atenoa, 388
     
    (Fortsetzung) »… sowie auch 114 berechnete Möglichkeiten der Allgemeinen Vergöttlichung bzw. Befreiung durch Katastrophen, Massenselbstmord etc.
    Ferner wurde sehr früh ein Kartenspiel entwickelt, das zunächst Tictan-Tarock, später Tictaró hieß. Es dient in vie len Varianten auch zur Zerstreuung, vor allem aber für liturgische und sonstwie rituelle Akte – Orakel, Enträtselung der Vergangenheit,

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