Barbarendämmerung: Roman (German Edition)
diesen Angriff einen sichereren Stand haben als den auf einer Treppe. Aber nichts geschah. Entweder war das Tier angeleint, oder es befand sich in einem unteren Raum, der noch geschlossen war.
Er schnupperte. Es roch nach Moder, aber auch nach menschlichen Ausscheidungen. Dort unten war ein Abtritt, oder die Abtritte von oben mündeten in den Keller. Die Kerze vor sich hinhaltend ging er die Treppe abwärts. Es waren sechsundzwanzig Stufen.
Unten ein Gang, von dem mehrere Türen abzweigten. Einige davon bestanden nur aus einzelnen Latten, dahinter waren Gerätschaften und Vorräte verstaut. Eine der Türen jedoch, eine einzige, war massiv. Sogar mit Eisen beschlagen. Reliefartige Symbole zierten ihre Oberfläche. Einige dieser Symbole zeigten eindeutig Geschlechtsteile, andere erinnerten eher an Zähne oder Klauen.
Der Eindringling fürchtete die Dämonen seiner Herkunft nicht mehr, als er wilde Tiere fürchtete. Er war noch keinem Dämon begegnet, der nicht erschlagbar gewesen war. Ein wenig kam es ihm vor wie mit diesen aufklappbaren Dingern mit den vielen Blättern drin. Wenn man nicht an sie glaubte, konnten sie einem auch nichts anhaben.
Die Tür besaß weder Klinke noch Knauf. Er stemmte sich mit der Schulter dagegen, und sie gab keinen Deut nach. Er untersuchte sie genauer und fand nicht einmal ein Schlüsselloch.
Jetzt schob er sich den Säbel in den Gurt, stellte den Kerzenhalter neben sich ab und begann die Reliefs abzutasten. Er drückte hier und dort. Wenn es kein Schlüsselloch gab, musste es einen anderen geheimen Mechanismus geben. Nichts geschah.
Als Nächstes untersuchte er die Mauerwand links und rechts der Tür. Ob einer der Steine nur lose verfugt war und sich bewegen ließ. Nichts.
Er besah sich die Decke und den Boden. Suchte nach Fugen im festgetretenen Lehm, die vielleicht eine Falltür verbargen, wie man sie in verlassenen Tempeln finden konnte. Nichts.
Er strich sich mit beiden Händen seine langen Haare zurück. Sein Gesicht zeigte Unzufriedenheit und Ratlosigkeit. Sollte er mit leeren Händen zurückkehren? Gescheitert an einer Tür?
Übergangslos warf er sich dagegen. Dann noch einmal. Die Tür bewegte sich immerhin, ließ sich ein wenig nach innen drücken, hatte einen halben Fingerbreit Spiel, bevor irgendein Riegel oder Zapfen sie festhielt. Von hinter der Tür kam Stille.
Der Hüne trat gegen die Tür. Nichts und Stille.
Er nahm die Kerze, ging in den Gang zurück, leuchtete durch die Brettertüren links und rechts und brach dann rechter Hand mit roher Gewalt eine auf, hinter der er ein Eisengerät, eine Art Brechstange zum Niederreißen von marodem Mauerwerk, erspäht hatte. Mit der Stange in der Hand kehrte er dann zu der eisenbeschlagenen Tür zurück und machte sich ans Werk. Mit aller Kraft hieb er die Stange an die Seite der Tür, wo sie Spiel hatte. Der Lärm war außerordentlich. Und diesmal wurde der Lärm beantwortet. Ein keckerndes Kreischen gellte auf, lang anhaltend und verzweifelt. Diesmal erkannte der Unbefugte, womit er es zu tun hatte: ein Affe. Ein großer Menschenaffe wahrscheinlich, gefangen gehalten hinter der Tür.
Er scherte sich weder um den Krach der Stange noch um das Gekreisch des Tieres. Wiederholt hämmerte er gegen die Tür, fünfzehn-, zwanzigmal, bis sich ein kleiner Spalt bildete, in den er die Stange einführen konnte. Und dann benutzte er sie als Hebel, lehnte sich nicht nur darauf, sondern rannte sogar mit Wucht dagegen an. Die Tür kreischte auf, während der Affe dahinter schlagartig verstummte. Dann sprengte der Einbrecher sie auf. Die Stange schepperte zu Boden.
Gestank wallte ihm entgegen. Wie mehrere Abtritte zusammen, seit Langem ungereinigt. Die Kerzenflamme schien im Gestank keuchend zu blaken. Dem Eindringling machte Gestank wenig aus, er registrierte ihn nur als ein Zeichen von Leben. Er zog seinen Säbel kampfbereit, nahm das ächzende Licht auf und leuchtete in den Raum dahinter.
Auf den ersten Blick sah er die Büste, die Tleck darstellen sollte. Sie war nicht allzu ähnlich, das Gesicht wirkte eher matschig, und dennoch war der fette Kaufmann unverkennbar. Irgendetwas an seiner lauernd vorgestreckten Kopfhaltung war ausnehmend gut getroffen. Daneben standen noch zwei weitere Büsten. Beide waren Tleck unähnlich.
Ansonsten gab es in dem Raum einen riesigen Tisch, der mit Leder bespannt war und auf dem sich diverse Glasbehälter und Vorrichtungen befanden, dem Schminktisch im oberen Frauengemach gar nicht unähnlich. Ein
Weitere Kostenlose Bücher