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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Schlagwucht, die er aus dem Sprung gewann, sorgte dafür, dass er den Ersten, den er traf, in zwei ungleiche Hälften hieb. Und da diejenigen, die begriffen, was sich geändert hatte, immer noch bis gerade eben einen Baumstamm an seinen Ästen in Händen gehalten hatten, konnten sie ihre Äxte nicht schnell genug zücken. Der Säbel des Barbaren hielt dermaßen reiche Ernte, dass hilflose Abwehrbewegungen, Schreien, Stolpern, Knochenknirschen und Fleischreißen zu einem einzigen rotspeienden Wirrwarr verschmolzen.
    Dann entstand Stille im Eingangsbereich der Burggebäude.
    Der Barbar stand auf dem schräg liegenden Baumstamm wie jemand, der balanciert. Von seinem Säbel hingen Fleischfetzen mit grüner Bemalung. Links und rechts von ihm und quer über den Baumstamm lagen mindestens zehn, zwölf frisch aufgebrochene Leichen und Sterbende.
    Die übrigen um das zerschmetterte Tor herumwimmelnden Waldmänner hielten in ihren vielfältigen Bewegungen inne. Das Blut ihrer Eigenen kam über sie wie ein warmer Hauch.
    Der Barbar ging ihnen auf dem Stamm entgegen, und sie sahen, dass er keiner der Gardisten war. Er war größer als diese und trug nicht die verachtete Flickenuniform. Die Brust unter seinem schmutzigen Mantel war ebenso nackt und narbig wie die Brust der Wilden. Von seinen Händen und Armen troff das Blut ihrer Verwandten. Sie wichen zurück vor ihm wie vor einem Heiligen. Sie hielten einen Abstand ein, der mehr als nur respektvoll war. Sie stiegen sogar übereinander, um ihm nicht nahe zu kommen, und einige wandten den Blick ab, zu Boden oder zum Himmel. Unangetastet ließen sie ihn aus dem Tor kommen. Er senkte den Säbel, und die Fleischfetzen glitten platschend zu Boden.
    Der Kampf auf dem Hof war vorüber, obwohl Hauptmann Garifalks als Letzter seiner Männer noch am Leben war. Irgendwo musste auch der junge Blernn liegen, aber in diesen Haufen auseinandergerissener Leiber jemanden von allen anderen zu unterscheiden war so gut wie unmöglich.
    Hauptmann Garifalks stützte sich auf sein Schwert. Die Klinge hinab rann sein Blut in dicken Bahnen, die sich verzweigten und vereinten wie sich paarende Schlangen.
    Als er sah, wie sich der Barbar ihm näherte, huschte ein Lächeln über sein bis zur Unkenntlichkeit zerschnittenes Gesicht. »Wundert mich nicht«, sagte er. »Wundert mich überhaupt nicht, dass du … als Letzter übrig bleibst. Das habe ich gleich in dir gesehen. Deshalb … wollte ich dich … dabeihaben. Und jetzt? Machen wir jetzt einen Ausfall?« Er begann zu lachen. Es war wie ein Zittern oder ein Krampf, der seinen sterbenden Körper schüttelte.
    Der Barbar nahm ihm das Schwert weg. Der Hauptmann wäre, seiner Stütze beraubt, gestürzt, wenn der Barbar ihn nicht aufrecht gehalten hätte. Statt des Schwertes schob der Barbar dem Hauptmann Trezois Säbel unter und stützte ihn darauf. Der Hauptmann stand beinahe, als wäre nichts geschehen. Sein Blut suchte sich nun über den Säbel abwärts Wege in die Erde.
    Der Barbar schaute sich nach seiner Fuchsstute um, aber von der war nicht mehr viel übrig. Die Waldmenschen hatten auch sämtliche Pferde erschlagen, vielleicht, um sie zu essen, vielleicht, weil sie ihre nicht aus den Wäldern stammende Kraft fürchteten.
    Er verließ die Burg. Keiner der Waldmenschen berührte oder bedrohte ihn. Sie verdrängten beinahe, dass es ihn überhaupt gab, und wandten sich schließlich mit den Bewegungen von Schlafwandlern dem Inneren der Gebäude zu.
    Über den Passweg ging er abwärts, das Schwert des Hauptmanns über der Schulter.
    Hinter ihm lohten die Türme.
    Ein Fraß der Flammen.
    Himmelhoher, unangreifbarer Rauch.

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    »Meidet die Sümpfe der Toten!«, hatte die Einbeinige ihm geraten. Sie war ihm sogar noch hinterhergehinkt, an ihrer seltsamen Krücke aus Hundegebein. »Meidet die Sümpfe der Toten! Sie neiden Euch Euren Atem, Euer Blut, selbst das wirre Gewebe Eurer Erinnerungen!«
    Ein Steg, der durch unruhiges Wasser führt. Sich windend bis zum Horizont.
    Das Licht ein milchiger Puls.
    Große, schwere Vögel saßen auf den traurigen Bäumen. Es sah aus, als würden die Tiere vor Nässe triefen. Irgendetwas tropfte beständig von ihnen herab. Dabei hatte es schon lange nicht mehr geregnet. Vielleicht tauchten sie ins Wasser, um zu jagen, und waren deshalb vollgesogen. Vielleicht aber verloren sie auch an Substanz und wurden immer kleiner, während sie tropften.
    Er versuchte, ihren durchdringenden, fordernden Blicken nicht allzu

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