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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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einmal auf den Kopf. In ihm dröhnte es wie ein Gong. Er warf sich schier in die Höhe. Sie war schon zehn Schritt weg, rannte, kraftvoller als jeder Mann. Er folgte ihr unsicher, alles dröhnte, Blut tropfte auf seine Brust und sein nasses Geschlecht. Menschen, die im Entgegenkommen begriffen waren, wichen ächzend aus. Die Wände der Häuser waren wie flüssig, alles dröhnte, alles entkam ihm. Er rutschte aus auf alten Salatblättern, schlitterte in den Matsch. Sie war fort. Ihm entkommen. Er wälzte sich wie ein Schwein in einer Suhle.
    Als er die Augen wieder aufschlug, sah er eine Frau. Es war nicht sie. Eine andere. Aber auch diese war etwas Besonderes. Sie war sehr schön, auf eine herbe, geringschätzige Art. Sie trug eine enge Lederhose, die sehr knapp auf den Hüften saß und sehr tief blicken ließ. Ihr ärmelloses Oberteil war ebenfalls aus Leder und hautdünn. Sie bewegte sich, als sei sie kampfgeübt, so viel konnte er erkennen. Sie sah ihn an, lachte, sagte etwas Spöttisches, das er nicht verstand, weil es in seinen Ohren immer noch so dröhnte, und wandte sich dann ab. Sie trug ein Schwert auf dem Rücken. Das Schwert hatte rote Muster in der Klinge, wie eine Schrift aus Blut. Jemand war bei ihr, ein Begleiter, aber den konnte er nicht richtig einordnen. Er schien kleiner und nicht weiter wichtig zu sein.
    Er stemmte sich hoch und hielt sich eine Weile an einer Hauswand fest. Die Häuser beruhigten sich ganz langsam. Vor Kurzem hatten sie ihn noch angekläfft wie ein Rudel Hunde. Nur in dem, aus dem er gesprungen war, mochten weiterhin Aufregung und Wirrwarr herrschen.
    Verflucht!
    Sein Schwert war noch immer oben. Sein Schwert, der Mantel, der Ohrring. Er wollte nicht mehr zurück, es würde nur Scherereien mit Ionie geben, immerhin hatte er ihr wertvollstes Mädchen entkommen lassen. Aber er konnte auch nicht nackt und blutverschmiert durch die Stadt. So viel hatte die Stadt ihm schon beigebracht, dass Aufsehen erregte, wer sich nicht mindestens wie eine Hure kleidete.
    Er versuchte sich zu orientieren. Er war in einer anderen Gasse als sonst, aber aus seinen kleinen nächtlichen Streifzügen in die nähere Umgebung wusste er genug, um die Gasse, die zu seinem Zimmer führte, finden zu können. Von dort aus kletterte er hinauf und drang in sein Zimmer ein.
    Im Haus herrschte tatsächlich Tumult. Und er war nicht mehr da, um die durchgehenden Kunden im Zaum zu halten. Er nahm seine alte Kleidung, das Schwert und den Ohrring aus dem Schrank und zog sich so an, wie er vor zwei Monaten gekommen war. Jemand näherte sich über den Flur mit raschen Schritten der Zimmertür. Es klang wie Ionie. Der Barbar war zum Fenster hinaus, bevor die Tür geöffnet wurde.
    Es dunkelte zusehends. Die Stadt legte wieder ihr Nachtgesicht auf, durchscheinend und trügerisch.
    Er dachte nur kurz daran, die beiden außergewöhnlichen Frauen zu suchen, die ihm heute entwischt waren. Das Mannweib und die Schwertkämpferin. Er würde sie nicht finden. Nicht hier.
    Er verließ die Stadt, indem er einem Stern folgte, der über allen Straßen am Himmel hing und ihn unempfindlich machte gegen die Verwirrung sich widersprechender Wege.

BRaNDSCHaTZeN
     
    Er rennt, die Fackel in der Hand.
    Er ist Teil einer Horde.
    Ist niemals Teil einer Horde.
    Rennt zwar mit ihnen, gehört aber nicht zu ihnen.
    Sie alle tragen Fackeln und schreien.
     
    Das Rennen.
    Jenseits der Stadt.
    Jenseits der Enge und der Irrwege.
    Das Rennen.
    Darum geht es.
     
    In einer Horde.
    Nicht in einer Horde.
    Sie tragen Fackeln.
    Sie lachen und rennen.
    Lachen und rennen und schreien wie er.
     
    Es ist wie ein Fest.
    Eine Freude.
    Das Dorf kommt in Sicht.
    Um befeiert zu werden.
    Befeuert.
     
    Die Gesichter verzerren sich.
    Fackeln fliegen.
    Schön sieht das aus.
    Menschen rennen.
    Alles rennt.
     
    Das Dorf brennt.
    Jauchzt auf in den Flammen.
    Hoch hinauf, oben wölkt es sich wie Haar, wie eine Krone.
    Unten springen Funken.
    Läuft Glut.
     
    Schau!
    Es ist das
    Was sie in der Stadt
    Kunst
    Nennen!
     
    Eine Frau bäumt sich auf, wie in Ekstase.
    Zwischen ihren Lippen leuchtet es.
    Ihre Haare, blond, sind Flammen.
    Sie bäumt sich stöhnend und zerfällt.
    Kurz ist das Vergnügen.
     
    Ein Kind steht unter Feuer
    Noch niemals zuvor
    War es so hell
    Sein Schreien wie Gelächter
    Das Gelächter der Horde wie ein Schrei
     
    Das Dorf verliert
    Und gewinnt hinzu
    Neue Umrisse
    Neue Bewegungen
    Das Dorf lebt jetzt und tanzt, erweckt
     
    Die Horde nimmt

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