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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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gekommen.
    Ionie selbst führte den Barbaren in Richtung der verstärkten Kammer.
    »Ihre Ketten sind abgenommen. Sieh zu, dass du sie nicht beschädigst – und sie nicht dich, mein Junge. Hier gebe ich dir den Schlüssel zur Kammer. Du kannst bis zum Morgen bei ihr bleiben und dir jederzeit selbst aufschließen. Aber sieh zu, dass sie dir nicht entkommt. Hörst du? Sieh mich an, wenn ich mit dir rede, Om! So ist es brav. Lass dich von ihr nicht überrumpeln. Sie ist gefährlich. Nicke, wenn du mich verstanden hast.«
    Er nickte. Seine Augen waren ungerichtet, seine Gedanken schon in der unmittelbaren Zukunft.
    »Dann geh und hol dir deinen Lohn.«
    Der Barbar schloss auf, ungelenk mit dem Schlüssel hantierend, er war Schlüssel nicht gewöhnt.
    Er betrat die Kammer. Es roch säuerlich und beißend. Die Muskelfrau regte sich wie ein Tier. Sie war ein wenig älter als die anderen Mädchen, aber deutlich jünger als Ionie. Sie war nackt. Sie sprang ihn nicht an, sondern schien ihn zu erwarten. Ihre Augenlider wirkten schläfrig. Er schloss hinter sich wieder ab und verstaute den Schlüssel in seinem Leder.
    Sie standen sich gegenüber. Als einzige Beleuchtung diente eine trübe Laterne mit rötlichem Schirm. Alles wirkte wie mit Bronze übergossen. Die Wand wies Flecken auf, die an Figuren erinnerten, wie Zuschauer hinter einer rostfarbenen Reispapierwand. Sie verzog ihr Gesicht und fauchte. In seiner Kehle bildete sich ein tiefes Grollen.
    Dann klatschten ihre Leiber aufeinander, als hätten Katapulte sie geschleudert. Er nahm sie, oder sie nahm ihn, so genau war das nicht zu unterscheiden. Es spielte auch keine Rolle. Sie fauchten beide. Und grollten. Und brachten sich Kratzer bei. Sie wartete ab, bis er sich in ihr erschöpft hatte, und dann erst handelte sie.
    Mit ihren mächtigen Armen umspannte sie seine Leibesmitte und presste ihm das Leben aus dem Leib. Er wehrte sich, war aber noch zu benommen und verausgabt. Sein Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei, ihre Lippen erstickten diesen Schrei mit einem Kuss, der auf seinen Zähnen spielte. Ihm schwanden die Sinne, sie riss ihn beiseite und versetzte ihm einen Hieb. Sie wollte ihn nicht töten. Er stöhnte wie ein Schwächling. Sie fingerte den Schlüssel aus dem längst beiseitegezerrten Leder. Als sie aufschloss, spürte sie eine Hand, die sich um ihr Fußgelenk legte. Sie trat ihn, er ließ nicht los. Sie ging neben ihm in die Hocke und schlug ihm zweimal mit der Faust gegen den Kopf. Er ließ los, schüttelte sich jedoch die Bewusstlosigkeit aus dem Hirn. Sie war kaum durch die Tür hindurch, als er ihr schon folgte. Beide waren sie nackt und schweißnass.
    Sie wusste nicht, wohin. Irrte durch ein schmales, enges Labyrinth, das Splitter in ihr Fleisch zu treiben trachtete. Er dicht hinter ihr. Sein Grollen. Aber sie fand ein Fenster. Sie wusste nicht, in welchem Stockwerk sie sich befand, aber sie nahm Anlauf und durchsprang das Mattglas. Dahinter und darunter ging es nur ein Stockwerk tiefer, sie landete auf allen vieren. Sein Samen quoll aus ihr hervor. Glas regnete um sie herum. Es herrschte Dämmerung, morgens oder abends. Hinter ihr folgte er, von oben. Sie empfing ihn mit einem Fußtritt in der Luft, fegte ihn gegen einen Hühnerstall. Gefieder stob auf und gackerte hektisch. Sie rannte. Er befreite sich von dem panischen Geflügel und folgte ihr breitbeinig durch Scherben und Schutt.
    Er rannte bis zur Mündung der Gasse. Die Wände schlackerten um ihn herum. Sie war nicht mehr zu sehen. Sie hatte hinter der Ecke auf ihn gewartet. Deckungslos lief er in ihren Schlag hinein. Sie hatte ein Brett oder eine Stange in der Hand, traf ihn unter den Armen im Bauch, dann noch einmal, als er zurückruderte, seitlich am Kinn. Sein Speichel vermischte sich mit Blut. Seine Haare schienen davonzuflattern wie die Hühner. Er prallte nach hinten gegen den platzenden Mörtel einer Wand und ging dann langsam, wie ein Betrunkener, zu Boden. Ihre neben und über ihm stehenden Beine vervielfachten sich, bis sie wie ein Hundertfüßler aussah. Er wollte sich hochstemmen. Sie schlug ihn abermals, bis er saß. Es war eine Stange, kein Brett. »Wenn du am Leben bleibst«, sagte sie, und ihre Stimme klang zu ihm wie von jenseits des Meeres, »sehen wir uns vielleicht eines Tages wieder, und dann wirst du mein Gefangener sein.«
    Er versuchte wieder nach ihrem Fuß zu fassen, aber er hatte sich für einen Fuß entschieden, der nur ein Trugbild war. Sie schlug ihm noch

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