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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Vorher war er für den Barbaren nicht zu sehen gewesen. Seine Kleidung war ebenso golden wie die ihre. Seine Lippen waren weich und gepflegt wie die eines Mädchens. Dennoch schien er kein Schwächling zu sein. Unter dem glänzenden Hemd aus einem fremdartigen Seidenstoff zeichnete sich eine gut entwickelte Muskulatur ab.
    Die vier Goldhöschensklaven bewegten sich, doch sie hielten inne, als sie die Dunkelhäutige sprechen hörten. In der Hierarchie schien sie dem Blonden ebenbürtig zu sein. Oder der Blonde hatte angewiesen, seinem Juwel jeden Wunsch zu erfüllen.
    »Er könnte ertrinken«, sagte sie, immer noch schmollend.
    »Der ertrinkt schon nicht. Wenn er bis hierher an Bord schwimmen konnte, kann er auch zurückschwimmen.«
    »Aber es wäre ein Jammer! Ich bin sicher, er hat einen prächtigen Schwanz! Zeig uns deinen Schwanz, stattlicher Fremder, und du darfst bleiben, ja?«
    Der »stattliche Fremde« reagierte nicht. Er beachtete jetzt eher, wie die Sklaven ihre Speere hielten. Der rechte schien keine Ahnung vom Umgang mit einer Stoßwaffe zu haben. Der zweite von links war ebenfalls unsicher. Nur der linke und der zweite von rechts wussten, was sie taten. Sie waren eine Schautruppe, nach Aussehen und körperlichen Eigenschaften ausgewählt, nicht nach Kampffertigkeiten.
    Die dunkelhäutige Schönheit stampfte wütend mit dem Fuß auf die Planken. Ihre Wut allerdings war teilweise gespielt. Das erregte jetzt doch die Aufmerksamkeit des Barbaren. Ihre Wimpern waren so lang, dass ihre Augen beständig halb geschlossen wirkten. Die Pupillen darunter waren groß und schwarz und funkelnd wie Nachtkristalle. »Er spricht einfach nicht mit mir! Befiehl ihm, dass er mit mir zu sprechen hat! Dies ist dein Schiff, also deine Liegenschaft. Er hat deinen Grund und Boden unbefugt betreten, also kannst du ihm befehlen.«
    Der Blonde legte seine Hände an ihre schmale Taille. »Aber vielleicht kann er nicht sprechen, Setepenre, mein Juwel. Oder vielleicht versteht er kein Wort von dem, was wir sagen. Immerhin ist er nicht schmutzig. Die Wasser des Sees scheinen ihn gereinigt zu haben.«
    »Das ist mir gleichgültig. Ich will jetzt endlich seinen Schwanz sehen. Du da, hol ihn hervor!«
    Der angesprochene Sklave – es handelte sich um den zweiten von links – erbleichte, sodass es beinahe aussah, als erlitte er einen Herzanfall. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Furchtsam schaute er zwischen dem Fremden, dem Blonden und der Dunklen hin und her. Der Blonde nickte ihm feixend zu und bestätigte dadurch die Anweisung. Schwitzend vor Furcht streckte der angesprochene Sklave einen Arm nach der nassen Hose des Barbaren aus.
    Im Nu hatte der Barbar seinen Arm gepackt, herumgedreht, gebrochen, griff sich seinen fallenden Speer, wich dem zustoßenden Speer des linken aus, hebelte den Schreienden mit dem gebrochenen Arm über die Reling und rammte dem zweiten von rechts, der jetzt ebenfalls zustieß, die Speerspitze in den Hals.
    Das Ganze dauerte höchstens zwei Augenblicke. Blut verschmierend torkelte der Schwerverwundete umher, während der vormals zweite von links ins Wasser platschte. Der zweite von rechts wagte überhaupt keine Bewegung mehr, während der linke einen halben Schritt zurück machte und mit einem zischenden Laut auf den Lippen immerhin eine ernsthaft aussehende Angriffshaltung einnahm.
    »Oh«, sagte Setepenre mit rundem rotem Mund. » Der wird aber ganz sicher ertrinken, mein Schatz. Sein Arm ist, glaube ich, kaputtgegangen.«
    »Verflucht«, sagte Valenzio. In seinen Mundwinkeln zuckte es nervös. Seine Gesichtszüge bekamen etwas Fliehendes. »Das genügt«, sagte er dann. »Kein weiteres Blutvergießen mehr, bitte! Wir sind hier, um andere … Essenzen zu feiern, nicht das schnöde Blut, das in den Straßen so eilfertig vergossen wird. Wir wollten dich höchstens über Bord werfen, Fremder, ganz zärtlich, denn du musst zugeben, dass wir dich nicht eingeladen haben«, sagte er abschließend beschwichtigend zu dem Barbaren. Der hielt seinen bluttriefenden Speer in Richtung des linken, weiterhin kampfbereit. Er war kein bisschen außer Atem geraten durch seine Aktion.
    Der aus dem Hals Blutende wankte gurgelnd über das Deck und erschreckte Damen und Herren, die kreischend durcheinanderliefen, um ihm zu entgehen. Dann brach er zusammen. Eine dunkelrote Pfütze breitete sich um ihn her aus. Endlich nahm sich einer der älteren Männer, vielleicht im wirklichen Leben ein Heilkundiger, seiner an und hielt

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