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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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Türklopfer aus dem Gesicht eines kleinen Teufels bestand. Ich packte ihn bei den Hörnern und klopfte dreimal an. Die Antwort war nur ein dumpfes Schweigen. Nach einer Weile klopfte ich abermals, sechs Schläge diesmal, lauter, bis mir die Faust schmerzte. Es vergingen weitere Minuten, und ich dachte schon, bestimmt sei niemand mehr da. Ich hockte mich vor der Tür nieder, zog Carax’ Buch aus dem Jackett hervor, schlug es auf und las erneut diesen ersten Satz, der mich Jahre zuvor gefangengenommen hatte.
    In jenem Sommer regnete es Tag für Tag, und obwohl viele Leute sagten, es sei eine Strafe Gottes, da im Dorf neben der Kirche ein Kasino eröffnet worden war, wußte ich, daß es meine und allein meine Schuld war, denn ich hatte lügen gelernt und bewahrte auf den Lippen noch die letzten Worte meiner Mutter auf dem Totenbett: Ich habe den Mann nie geliebt, den ich geheiratet habe, sondern einen andern, von dem man mir gesagt hat, er sei im Krieg gefallen; such ihn und sag ihm, daß ich im Tod mit den Gedanken bei ihm war, denn er ist dein richtiger Vater.
    Ich lächelte, als ich mich an die erste Nacht fieberhafter Lektüre vor sechs Jahren erinnerte. Dann klappte ich das Buch zu, um mich ein drittes und letztes Mal bemerkbar zu machen. Bevor ich den Klopfer berühren konnte, öffnete sich das Tor einen Spalt und ließ das Profil des Aufsehers ahnen, der eine Öllampe trug.
    »Guten Abend«, sagte ich. »Isaac, nicht wahr?«
    Der Aufseher schaute mich an, ohne mit der Wimper zu zucken. Der Schein der Lampe meißelte bernsteinfarben und scharlachrot seine eckigen Züge und verlieh ihm eine unübersehbare Ähnlichkeit mit dem Türklopferteufelchen.
    »Sie sind Sempere junior«, murmelte er matt.
»Sie haben ein ausgezeichnetes Gedächtnis.«
»Und Sie einen ekelhaften Sinn für günstige Gelegenheiten. Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?« Schon hatte sein scharfer Blick das Buch unter meinem Jackett entdeckt. Er machte eine forschende Kopfbewegung. Ich zog das Buch hervor und zeigte es ihm.
    »Carax«, sagte er. »In dieser Stadt dürfte es höchstens zehn Personen geben, die wissen, wer er ist, oder dieses Buch gelesen haben.«
    »Eine von ihnen ist erpicht darauf, es zu verbrennen. Mir ist kein besseres Versteck eingefallen als das hier.« »Das ist ein Friedhof, kein Panzerschrank.«
»Eben. Was dieses Buch braucht, ist, daß man es beerdigt, wo keiner es finden kann.«
    Isaac warf einen mißtrauischen Blick in die Gasse. Er stieß die Tür etwas weiter auf und bedeutete mir einzutreten. Die dunkle, unergründliche Vorhalle roch nach verbranntem Wachs und Feuchtigkeit. In der Finsternis hörte man sporadisches Tropfen. Isaac übergab mir die Lampe und zog aus seinem Flanellkittel einen Schlüsselbund, um den ihn jeder Kerkermeister beneidet hätte. Mit Hilfe irgendeiner Geheimwissenschaft traf er sogleich den gesuchten Schlüssel und steckte ihn in ein Schloß an der Tür, das durch ein Glasgehäuse voller Zahnräder und Stangen geschützt war, welches einer überdimensionierten Spieldose glich. Nach einer Drehung seines Handgelenks knackte der Mechanismus, und ich sah, daß sich die Hebel und Drehpunkte in einem wunderlichen mechanischen Ballett bewegten, bis sich das Tor in mehrere Stahlstangen fügte, die in der Mauer versanken.
    »Nicht einmal die Bank von Spanien …«, sagte ich beeindruckt. »Wie eine Erfindung von Jules Verne.«
»Von Kafka«, korrigierte mich Isaac und nahm die Lampe wieder an sich, um in die Tiefen des Hauses hineinzugehen.
»Wenn Sie erst einmal begreifen, daß die Sache mit den Büchern Unglück bringt, und lernen wollen, wie man eine Bank ausraubt oder eine gründet, was auf ein und dasselbe hinausläuft, dann besuchen Sie mich wieder, und ich erkläre Ihnen ein paar Dinge über Schlösser.«
Ich folgte ihm durch die Gänge voller Fresken mit Engeln und Schimären. Isaac hielt die Lampe in die Höhe, so daß sie eine flackernde Blase aus rötlichem Licht an die Wände warf. Er hinkte ein wenig, und sein fadenscheiniger Flanellmantel sah trostlos aus. Ich dachte, dieser Mann würde sich auf Julián Carax’ Seiten bestimmt wohl fühlen.
»Wissen Sie etwas über Carax?« fragte ich.
Isaac blieb am Ende einer Galerie stehen und blickte mich gleichgültig an.
»Nicht viel. Was man mir eben so erzählt hat.«
»Wer?«
»Jemand, der ihn gut gekannt hat – oder es geglaubt hat.«
Das Herz schlug mir bis zum Hals.
»Wann war das?«
»Als ich mich noch kämmte. Sie haben vermutlich

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