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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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verwirrter war ich.
»Soviel ich weiß, ist Carax 1936 nach Barcelona zurückgekehrt. Es gibt Leute, die sagen, er ist hier gestorben. Hat er noch Angehörige in der Stadt? Jemand, der etwas von ihm wissen könnte?«
»Schwer zu sagen. Ich glaube, Carax’ Eltern hatten sich schon lange vorher getrennt. Die Mutter ist nach Südamerika gegangen und hat dort wieder geheiratet. Mit seinem Vater hat er meines Wissens nicht mehr gesprochen, seit er nach Paris gegangen ist.«
»Warum nicht?«
»Was weiß ich. Die Leute machen sich das Leben schwer, als wäre es nicht auch so schwer genug.«
»Wissen Sie, ob er noch lebt?«
»Das hoffe ich doch. Er war jünger als ich, aber unsereiner geht ja nur noch selten aus, und Nachrufe lese ich seit Jahren keine mehr, die Bekannten sterben wie Fliegen dahin, da wird man ganz ängstlich, ehrlich gesagt. Carax war übrigens der Name der Mutter. Der Vater hieß Fortuny und hatte einen Hutladen in der Ronda de San Antonio, und soviel ich weiß, hat er sich mit seinem Sohn nicht sehr gut vertragen.«
»Könnte es denn sein, daß sich Carax bei seiner Rückkehr nach Barcelona versucht fühlte, Ihre Tochter Nuria aufzusuchen, wo es doch zwischen ihnen eine gewisse Freundschaft gab und er mit seinem Vater nicht sehr gut auskam?«
Isaac lachte bitter.
»Wahrscheinlich bin ich der Ungeeignetste, um das zu wissen. Immerhin bin ich ihr Vater. Ich weiß, daß Nuria einmal, im Jahr 32 oder 33, für Cabestany nach Paris gereist ist und zwei Wochen lang bei Julián Carax gewohnt hat. Das hat mir Cabestany erzählt, denn sie hat mir gesagt, sie sei in einem Hotel abgestiegen. Damals war sie noch ledig, und ich hatte das Gefühl, daß Carax ein wenig in sie verschossen war. Meine Nuria gehört zu denen, die bloß einen Laden zu betreten brauchen, um Herzen zu brechen.«
»Sie meinen, die beiden waren ein Paar?«
»Sie mögen billige Romane, wie? Schauen Sie, ich habe mich nie in Nurias Privatleben eingemischt, meines ist nämlich auch nicht gerade zum Einrahmen. Wenn Sie einmal eine Tochter haben, ein Segen, den ich niemandem wünsche, denn es ist ein Gesetz des Lebens, daß sie einem über kurz oder lang das Herz brechen wird, also, was ich sagen wollte, wenn Sie einmal eine Tochter haben, werden Sie, ohne es zu merken, anfangen, die Männer in zwei Gruppen einzuteilen: die, von denen Sie annehmen, daß sie mit ihr ins Bett gehen, und die, die es nicht tun. Derjenige, der das bestreitet, lügt wie gedruckt. Ich ahnte, daß Carax zu den ersteren gehörte, und somit war es mir einerlei, ob er ein Genie war oder ein armer Teufel, ich habe ihn immer für einen unverschämten Kerl gehalten.«
»Vielleicht haben Sie sich geirrt.«
»Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie sind noch sehr jung und verstehen von Frauen etwa soviel wie ich vom Marzipanbrötchenherstellen.«
»Das stimmt wohl. Was ist mit den Büchern geschehen, die Ihre Tochter aus Cabestanys Büro mitgenommen hat?«
»Die sind hier.«
»Hier?«
»Was glauben Sie denn, woher das Buch stammt, das Sie an dem Tag gefunden haben, an dem Ihr Vater Sie herbrachte?«
»Das verstehe ich nicht.«
»Es ist doch ganz einfach. Eines Abends, Tage nach dem Brand von Cabestanys Lager, ist meine Tochter hierhergekommen. Sie war sehr nervös und sagte, jemand sei ihr gefolgt; sie hatte Angst, daß dieser Coubert die Bücher an sich bringen wolle, um sie zu vernichten. Sie war gekommen, um die Bücher zu verbergen. Sie ging in den großen Saal und hat sie im Labyrinth der Regale versteckt, als vergrübe sie einen Schatz. Ich habe sie nicht gefragt, wo sie sie hingestellt hatte, und sie hat es mir auch nicht gesagt. Vor dem Gehen sagte sie noch, sobald sie Carax auftreibe, werde sie sie wieder holen. Ich hatte den Eindruck, sie war noch immer in ihn verliebt, aber ich sagte nichts. Ich habe sie gefragt, ob sie ihn in letzter Zeit gesehen habe, ob sie etwas von ihm wisse. Sie sagte, sie habe seit Monaten nichts mehr von ihm gehört, praktisch seit dem Tag, an dem er die letzten Korrekturen am Manuskript seines letzten Buches aus Paris geschickt habe. Ich könnte Ihnen nicht sagen, ob sie mich angelogen hat. Was ich aber weiß, ist, daß Nuria nach diesem Tag nie wieder etwas von Carax gehört hat, und diese Bücher sind hier geblieben und haben Staub angesetzt.«
»Glauben Sie, Ihre Tochter wäre einverstanden, sich mit mir über all das zu unterhalten?«
»Nun, wann immer es ums Reden geht, ist meine Tochter dabei, aber ich weiß nicht, ob sie Ihnen etwas sagen

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