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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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Vordersitz fahren, was ihm Gelegenheit gab, sich in eine Diskussion über das Gold von Moskau und Josef Stalin einzulassen, der des Fahrers Idol und geistiger Führer auf Distanz war.
»In diesem Jahrhundert hat es drei große Figuren gegeben: Dolores Ibárruri, Manolete und Josef Stalin«, verkündete der Fahrer, entschlossen, uns mit einer detaillierten Hagiographie des illustren Genossen zu beglücken.
Ich saß bequem auf dem Rücksitz, ohne mich an dem Gespräch zu beteiligen, und genoß durchs offene Fenster die frische Luft. Fermín, begeistert von der Spazierfahrt im Studebaker, animierte den Fahrer mit gezielten Fragen.
»Nun, ich habe gehört, seit er einen Mispelkern verschluckt hat, leidet er gräßlich an der Prostata und kann jetzt nur noch urinieren, wenn man ihm die Internationale vorsingt«, warf Fermín hin.
»Faschistische Propaganda«, entgegnete der Fahrer. »Der Genosse pißt wie ein Stier. Mit so ’ner Wassermenge kann selbst die Wolga nicht aufwarten.«
Diese angeregte Debatte begleitete uns auf der ganzen Fahrt durch die Vía Augusta zum höhergelegenen Teil der Stadt. Es wurde immer heller, und eine frische Brise überzog den Himmel mit tiefem Blau. Als wir zur Calle Ganduxer gelangten, bog der Fahrer rechts ein, und gemächlich fuhren wir zum Paseo de la Bonanova hinauf.
Die San-Gabriel-Schule erhob sich baumumstanden am oberen Ende einer engen Straße, die sich von der Bonanova heraufschlängelte. Die mit dolchförmigen Fenstern gespickte Fassade betonte das Profil eines gotischen Palastes aus rotem Backstein und schien zwischen Bogen und Türmen zu schweben, die in kathedralähnlichen Grannen über die Wipfel der Platanen aufragten. Wir stiegen aus und betraten einen dichtbewachsenen Garten voller Brunnen, aus denen sich verrostete Putten erhoben, und durchflochten von steinernen Pfaden, die zwischen den Bäumen hinanführten. Auf dem Weg zum Haupteingang setzte mich Fermín mit einer seiner Lektionen zur Sozialgeschichte über die Institution ins Bild.
»Obwohl sie Ihnen jetzt wie Rasputins Mausoleum erscheinen mag, war die San-Gabriel-Schule seinerzeit eines der angesehensten und exklusivsten Institute von ganz Barcelona. In den Zeiten der Republik ist sie heruntergekommen, denn die damaligen Neureichen, die neuen Industriellen und Bankiers, deren Sprößlingen man jahrelang einen Platz verweigert hatte, weil ihre Namen nach Neu rochen, beschlossen, ihre eigenen Schulen zu gründen, wo man sie respektvoll behandelte und wo sie ihrerseits anderer Leute Kindern einen Platz verweigern konnten. Das Geld ist wie jedes andere Virus: Sobald die Seele dessen, der es hortet, verfault, macht es sich auf die Suche nach frischem Blut. In dieser Welt währt ein Name weniger lange als eine Zuckermandel. In ihren guten Zeiten, also mehr oder weniger zwischen 1880 und 1930, nahm die San-Gabriel-Schule die Crème de la crème der verwöhnten Kinder aus altem Adel und mit klingender Börse auf. Die Aldayas und Konsorten kamen als Internatsschüler an diesen düsteren Ort, um sich mit ihresgleichen zu verbrüdern, die Messe zu hören und Geschichte zu lernen, damit sie sie auf diese Weise ad nauseam wiederholen konnten.«
»Aber Julián Carax war nicht unbedingt einer von ihnen«, bemerkte ich.
»Nun, manchmal bieten diese vortrefflichen Institutionen für die Kinder des Gärtners oder eines Schuhputzers ein oder zwei Stipendien an, um so ihre Geisteserhabenheit und christliche Großherzigkeit zu demonstrieren. Die wirkungsvollste Art, die Armen unschädlich zu machen, besteht darin, daß man sie lehrt, die Reichen imitieren zu wollen. Das ist das Gift, und damit blendet der Kapitalismus die …«
»Pst, Fermín, wenn einer dieser Geistlichen Sie hört, wird man uns rausschmeißen«, unterbrach ich ihn leise, als ich sah, daß uns oben auf der Treppe, die zum Schulportal emporführte, zwei Priester mit einer Mischung aus Neugier und Reserviertheit beobachteten, und ich fragte mich, ob sie wohl von unserem Gespräch etwas mitbekommen hatten.
Einer von ihnen kam mit höflichem Lächeln und bischöflich auf der Brust gefalteten Händen auf uns zu. Er mußte etwa fünfzig sein, und seine schlanke Gestalt und das schüttere Haar ließen ihn wie einen Raubvogel aussehen. Er hatte einen durchdringenden Blick und roch nach frischem Kölnisch Wasser und Mottenpulver.
»Guten Morgen. Ich bin Pater Fernando Ramos«, verkündete er. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
Fermín reichte ihm die Hand, die der Priester, in

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