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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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sein eisiges Lächeln gehüllt, kurz studierte, ehe er sie drückte.
»Fermín Romero de Torres, bibliographischer Berater von Sempere und Sohn, höchst erfreut, Ihre fromme Exzellenz zu grüßen. Hier zu meiner Seite befindet sich mein Mitarbeiter und zugleich Freund Daniel, ein junger Mann mit großer Zukunft und von ausgewiesen christlichem Wesen.«
Pater Fernando betrachtete uns, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich wäre am liebsten im Erdboden verschwunden.
»Das Vergnügen ist ganz meinerseits, Señor Romero de Torres«, antwortete er gallig. »Darf ich Sie fragen, was dieses großartige Duo zu unserer bescheidenen Anstalt führt?«
Ich beschloß einzugreifen, ehe Fermín dem Priester eine weitere Ungeheuerlichkeit auftischte und wir uns eiligst davonmachen müßten.
»Pater Fernando, wir versuchen zwei ehemalige Schüler der San-Gabriel-Schule zu finden: Jorge Aldaya und Julián Carax.«
Pater Fernando preßte die Lippen zusammen und zog eine Braue in die Höhe.
»Julián ist vor über fünfzehn Jahren gestorben, und Aldaya ist nach Argentinien ausgewandert«, sagte er knapp.
»Haben Sie sie gekannt?« fragte Fermín.
Der sezierende Blick des Priesters verweilte auf jedem von uns, bevor er antwortete.
»Wir waren Klassenkameraden. Darf ich fragen, woher Ihr Interesse rührt?«
Ich dachte eben darüber nach, wie wir diese Frage beantworten sollten, da kam mir Fermín zuvor.
»Es ist so, daß uns eine Anzahl Dinge in die Hände gelangt sind, die den beiden Erwähnten gehören oder gehörten – in diesem Punkt ist die Rechtsprechung ja unklar.«
»Und welcher Natur sind die besagten Dinge, wenn die Frage gestattet ist?«
»Ich bitte Euer Gnaden, unser Schweigen zu akzeptieren, denn bei diesem Gegenstande gibt es, so wahr Gott lebt, nur zu viele Gründe des Bedenkens und Verschweigens, die nichts mit dem allerhöchsten Vertrauen zu tun haben, das uns Ihre Exzellenz und der Orden, den Sie so würdevoll und fromm vertreten, abverdienen«, sagte Fermín in rasendem Tempo.
Pater Fernando schaute ihn an, beinahe erstarrt. Ich beschloß, den Gesprächsfaden wiederaufzunehmen, bevor Fermín zu Atem käme.
»Die von Señor Romero de Torres angesprochenen Dinge sind familiärer Natur, Andenken und Gegenstände von ausschließlich gefühlsmäßigem Wert. Worum wir Sie bitten möchten, Pater, wenn es Ihnen nicht allzuviel ausmacht, ist, daß Sie uns von Ihren Erinnerungen an Julián und Aldaya aus der Schulzeit erzählen.«
Noch immer betrachtete uns Pater Fernando argwöhnisch. Es lag auf der Hand, daß ihm die Erklärungen, die wir ihm gegeben hatten, nicht ausreichten, um unser Interesse zu rechtfertigen und ihn zur Mitwirkung zu gewinnen. Ich warf Fermín einen hilfesuchenden Blick zu, damit er irgendeine List fände, um den Pater herumzukriegen.
»Wissen Sie, daß Sie ein wenig Julián gleichen, als er jung war?« fragte mich der Pater unversehens.
Fermíns Blick leuchtete auf. Was hat er bloß vor, dachte ich.
»Sie sind ein Fuchs, Hochwürden«, rief Fermín mit gespieltem Erstaunen. »Ihr Scharfsinn hat uns erbarmungslos demaskiert. Sie werden es mindestens zum Kardinal oder Papst bringen.«
»Wovon reden Sie?«
»Ist es denn nicht eindeutig und offensichtlich, Eminenz?«
»Ehrlich gesagt, nein.«
»Dürfen wir mit dem Beichtgeheimnis rechnen?«
»Das ist ein Garten, kein Beichtstuhl.«
»Es genügt uns Ihre geistliche Diskretion.«
»Die haben Sie.«
Fermín seufzte tief und schaute mich melancholisch an.
»Daniel, wir dürfen diesen heiligen Soldaten Christi nicht weiter belügen.«
»Natürlich nicht …«, bekräftigte ich völlig verwirrt.
Fermín trat nahe an den Priester heran und flüsterte ihm vertraulich zu:
»Pater, wir haben felsenfeste Gründe zur Annahme, daß unser Freund Daniel da nichts anderes ist als ein heimlicher Sohn des verblichenen Julián Carax. Daher unser Interesse, seine Vergangenheit zu rekonstruieren und die Erinnerung an einen abwesenden bedeutenden Mann wiederzuerlangen, den die Parze von der Seite eines armen Jungen zu reißen für gut befunden hat.«
Verdutzt starrte mich der Pater an.
»Trifft das zu?«
Ich nickte. Tief betrübt klopfte mir Fermín auf die Schulter.
»Schauen Sie das arme Bürschchen an, wie es einen im Nebel der Erinnerung verschwundenen Vater sucht. Was kann es Traurigeres geben als das, können mir das Eure heilige Magnifizenz verraten?«
»Haben Sie Beweise, die Ihre Behauptungen untermauern?«
Fermín packte mich am Kinn und bot mein Gesicht als Zahlungsmittel

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