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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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ein Lächeln nicht verkneifen. Dieses merkwürdige Geschöpf war mir ganz gegen meinen Willen sympathisch.
    »Wir werden Folgendes tun. Du bringst mir die besten zwanzig Seiten, die du geschrieben hast, die, von denen du glaubst, sie zeigen am ehesten, was du kannst. Bring mir keine einzige mehr, ich habe nicht vor, sie zu lesen. Ich werde sie mir in aller Ruhe ansehen, und dann unterhalten wir uns.«
    Ihr Gesicht leuchtete auf, und für einen Moment verschwand der Schleier von Härte und Anspannung, der über ihren Zügen lag.
    »Es wird Ihnen nicht leidtun«, sagte sie.
    Sie stand auf und schaute mich nervös an.
    »Ist es recht, wenn ich Ihnen die Seiten nach Hause bringe?«
    »Steck sie in den Briefkasten. War das alles?«
    Sie nickte mehrmals und zog sich mit kurzen, hektischen Schrittchen zurück. Als sie sich eben umdrehen und davonlaufen wollte, rief ich ihr nach.
    »Isabella?«
    Sie schaute mich hellwach an, im Blick eine gewisse Besorgnis.
    »Warum gerade ich?«, fragte ich. »Und sag nicht, weil ich dein Lieblingsautor bin und all diese Schmeicheleien, mit denen du mich laut Sempere einseifen sollst -wenn du das tust, wird das unser erstes und letztes Gespräch gewesen sein.«
    Sie zögerte einen Moment. Dann sah sie mir direkt in die Augen und antwortete schonungslos:
    »Weil Sie der einzige Schriftsteller sind, den ich kenne.«
    Sie lächelte bang und ging mit ihrem Heft, ihrem unsicheren Schritt und ihrer Aufrichtigkeit davon. Ich schaute ihr nach, wie sie in die Calle Miraliers einbog und hinter der Kathedrale verschwand.
     

 5
    Als ich eine knappe Stunde später nach Hause zurückkam, saß sie vor der Tür und erwartete mich mit ihrer mutmaßlichen Erzählung auf dem Schoß. Bei meinem Anblick stand sie auf und rang sich ein Lächeln ab.
    »Ich habe dir doch gesagt, du sollst die Seiten in den Briefkasten stecken«, sagte ich.
    Isabella nickte und zuckte die Achseln.
    »Als Zeichen meiner Dankbarkeit habe ich Ihnen aus dem Laden meiner Eltern ein wenig Kaffee mitgebracht. Kolumbianischen, der ist wunderbar. Er ging nicht durch den Schlitz, und so habe ich gedacht, ich warte besser auf Sie.«
    Dieser Vorwand konnte nur einer künftigen Romanautorin in den Sinn kommen. Mit einem Seufzer öffnete ich die Tür.
    »Rein mit dir.«
    Ich stieg die Treppe hinauf, und Isabella folgte mir mit ein paar Stufen Abstand wie ein Schoßhündchen.
    »Frühstücken Sie immer so lange? Das geht mich natürlich nichts an, aber ich habe hier fast eine Dreiviertelstunde gewartet und mir schon Sorgen gemacht, ich dachte, hoffentlich ist ihm nichts im Hals stecken geblieben, da lerne ich endlich einen Schriftsteller aus Fleisch und Blut kennen, und bei meinem sprichwörtlichen Glück wäre es durchaus normal, dass er hingeht und eine Olive in den falschen Hals kriegt, und das wäre dann das Ende meiner literarischen Karriere«, sprudelte sie hervor.
    Ich blieb mitten auf der Treppe stehen und schaute sie mit dem feindseligsten Ausdruck an, den ich zustande brachte.
    »Isabella, damit es zwischen uns funktioniert, werden wir einige Regeln aufstellen müssen. Die erste ist, dass ich die Fragen stelle und du dich auf die Antworten beschränkst. Wenn es von meiner Seite her keine Fragen gibt, sind deinerseits weder Antworten noch Stegreifreden angezeigt. Die zweite Regel lautet: Ich nehme mir zum Frühstücken oder Vespern oder Tagträumen so viel Zeit, wie es mir passt, und darüber wird nicht diskutiert.«
    »Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich verstehe ja, dass in Ruhe zu verdauen der Inspiration förderlich ist.«
    »Die drittel Regel: Vor dem Mittag lasse ich dir keinen Sarkasmus durch. Verstanden?«
    »Ja, Señor Martín.«
    »Die vierte ist, dass du mich nicht Señor Martín nennen sollst, nicht einmal am Tag meiner Beerdigung. Dir komme ich vielleicht wie ein Fossil vor, aber mir gefällt die Vorstellung, noch jung zu sein. Und ich bin es auch, Punktum!«
    »Wie soll ich Sie denn nennen?«
    »Bei meinem Vornamen: David.«
    Sie nickte. Ich öffnete die Wohnungstür und bedeutete ihr einzutreten. Sie zögerte einen Moment und schlüpfte dann hinein.
    »Ich glaube, für Ihr Alter sehen Sie noch ziemlich jung aus, David.«
    Verblüfft schaute ich sie an.
    »Was glaubst du denn, wie alt ich bin?«
    Isabella sah mich von oben bis unten an.
    »So um die dreißig? Was man Ihnen aber nicht ansieht.«
    »Bitte halt den Mund und mach eine Kanne von dem Gebräu, das du mitgebracht hast.« »Wo ist die Küche?« »Such

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