Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
zu der hohen Decke der Höhle gleiten, die in der Dunkelheit über ihm kaum sichtbar war. Eine beunruhigende Ahnung, dass er die Antwort kannte, beschlich ihn. Dennoch zuckte er mit den Schultern. »Was ist dahinter?«
»Woher soll ich das wissen?«, zischte Linara.
Ihr Bruder drehte sich zu ihr herum und zupfte mit zwei Fingern herausfordernd an der Ohrspitze, die durch ihr dichtes Haar emporragte. Die Elfe schlug wütend seine Hand zur Seite. Atharis wich unwillkürlich zurück, als sich ihre Augen mit einer unausgesprochenen, doch nicht weniger präsenten Drohung auf ihn richteten.
»Getrappel mehrerer Füße in metallbeschlagenen Stiefeln – vielleicht zwei Dutzend«, erklärte Linara schließlich in bemüht beleidigtem Tonfall.
»Stück oder Paar?«
Zur Antwort verschränkte die Elfe nur die Arme vor der Brust und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.
Atharis hatte keine Lust, das Geschwistergezanke fortzusetzen, und ignorierte ihr Verhalten.
»Orks?«
»Schon möglich! Und da ist noch etwas sehr Großes oder Schweres.«
Atharis nickte grimmig, da er sich in seinen Befürchtungen bestätigt sah.
Er blickte auf die Tür, die ihm extrem bedrohlich erschien, als der Schein der Fackel darauf fiel. Aster, Imares und Cirano kamen vorsichtig um die Ecke.
»Wir wollten nachsehen, ob ihr noch lebt«, rechtfertigte sich die Katze, bevor der tadelnde Blick ihres Anführers sie treffen konnte. Der Blick traf sie daraufhin umso eindringlicher.
»Was ist hinter dieser Türe?«, fragte Cirano etwas zu laut für Atharis’ Geschmack.
Dieser zog sein Schwert aus der Scheide und starrte die Tür an, als könne er allein dadurch verhindern, dass sie von innen geöffnet wurde. »Wenn du hier weiter so herumschreist, werden wir das früher wissen, als uns lieb ist.« Er sah über die Schulter zu seinen Rekruten. »Linara, du übernimmst die linke Flanke, Aster, nach rechts! Cirano, du bleibst dicht bei mir. Imares, gib uns Deckung.«
»Aber ... aber ...«, begann Imares, während sein Anführer bereits die Hand nach dem Türgriff ausstreckte.
Atharis warf den Kopf in den Nacken und rollte die Augen. »Was ist?«, wollte er scharf wissen.
»Nun, ja ...« Imares trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Ich hatte keine Bolzen mehr und da habe ich mir gedacht, wozu soll ich überflüssiges Gepäck mitnehmen.«
Sein Anführer drehte sich bewusst langsam zu ihm um.
»Nun, ich könnte mit Steinen werfen. Aber ich glaube nicht, dass ...«
»Ich auch nicht«, knurrte Atharis. Dann zuckte er resignierend die Achseln. »Cirano, gib ihm deine Waffe.«
Der Krieger drückte Imares die zweihändige Armbrust samt Köcher in die Arme, wodurch der Junge unter dem Gewicht in sich zusammensackte.
Kirhak schlug gleichmütig mit seinem gewaltigen Hammer auf den Gesteinsbrocken. Der Felsen zerbarst in unzählige Stücke. Sogleich kamen mehrere Orks geschäftig herbeigerannt, um die Steine zu durchsuchen. Sie grunzten aufgeregt in ihrer derben Sprache, doch Kirhak kümmerte sich nicht darum und wandte sich dem nächsten Felsen zu. Es war ihm egal, wofür die kleinen, schlammbraunen Kreaturen den Schotter brauchten. Glitzernde Halbedelsteine bedeuteten dem fast baumgroßen Troll genauso wenig wie die Goldmünzen, welche die Orks im Tausch dafür von ihren Handelspartnern erhielten. Er tat die von ihm erwartete Arbeit, wie jeden Tag. Und das Einzige, das ihm vielleicht Freude bereitete – so jemand wie er diese Art der Gefühlsregung kannte – war der Gedanke daran, dass bald die Orkpatrouille zurückkehren würde und ein paar saftige Schafe und vielleicht das eine oder andere Kalb für ihn dabeihaben würde. Bis dahin würde er wie jeden Tag weitere Brocken aus dem Gestein schlagen und in viele kleine Teile zertrümmern.
Wie jeden Tag um diese Zeit schwang nun auch das große Tor zu der Höhle mit einem ohrenbetäubenden Quietschen auf. Wie jeden Tag kam eine Schar schwächlicher, kleiner Geschöpfe hereingestürmt. Kirhak, der erneut seinen Hammer zum Schlag erhob, hielt inne und starrte in Richtung der Türe.
Die meisten Trolle waren von Natur aus sehr kurzsichtig. Dies barg normalerweise keinerlei Nachteile in sich. Denn selbst wenn sie ein scharfes Auge besessen hätten, das schnell erkannte, was sich ihnen näherte, bräuchte ihr Gehirn doch viel zu lange, um die Eindrücke zu verarbeiten. Durch ihre Kurzsichtigkeit musste sich ihr Gehirn nur mit dem befassen, was sich unmittelbar vor ihnen ereignete,
Weitere Kostenlose Bücher