Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
»gehen da hinein.«
»Aber ...!«, begann Imares.
Atharis drehte sich zu ihm um und zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Ähm!«, machte der Junge. »Na ja, die Katze versteht sich auf Erste Hilfe, schon klar! Aber was soll ich dort?«
»Nun«, sein Anführer zuckte mit den Schultern. »Immerhin ist dein Vater Gutshofbesitzer. Vielleicht kannst du helfen, die Tiere wieder einzufangen.«
»Wie bitte?« Offene Entrüstung spiegelte sich auf Imares’ Gesicht wider.
»Wenn das Vieh Nachtfalter sieht, läuft es nur noch weiter fort«, flüsterte Cirano Aster zu.
Diese schüttelte entschlossen den Kopf. »Nein. Es wirft sich vor Lachen auf den Boden und man braucht es nur noch einzusammeln.« Und zu Atharis gewandt sagte sie: »Du hast keine Ahnung, was in diesem Loch hier wartet. Wir sollten alle gemeinsam hineingehen, sonst finde ich bei meiner Rückkehr noch ernsthaft verletzte Gefährten vor.«
»Ja, genau!«, rief Imares. »Die Viecher können sich die Bauern selber einfangen. Hier sind Orkhälse, die noch nicht durchgeschlagen wurden!«
Atharis sah seine Rekruten der Reihe nach an. Ach, wenn sie nur ein Mal einen Befehl so bereitwillig annehmen würden wie ihre Entlohnung! Sein Blick blieb an Imares hängen. Der Junge tanzte nervös auf und ab. In seinen Augen brannte Kampflust. Leider entsprang sie blanker Unwissenheit. Imares hatte einem Feind noch nie im Nahkampf gegenübergestanden. Atharis überlegte, wie er ihm diesen Übereifer austreiben konnte, bevor sich Imares kopflos in eine Situation brachte, die ihm sehr schmerzhaft und vielleicht auf Kosten seines Lebens die Freude am Kampf nehmen würde. Er hatte dem Jüngling ein Schwert in die Hand gegeben. Nun rang er mit seinem Gewissen, ob er es tatsächlich verantworten konnte, ihn in einen Nahkampf zu verwickeln.
»Bringen wir es hinter uns«, meinte er schließlich und umklammerte mit einer Hand das Heft seines Schwertes.
»Ja!«, jauchzte Imares. »Lasst uns das Rattenloch stürmen und diese Brut vernichten!«
Atharis seufzte und richtete ein Stoßgebet an all die Götter, die jetzt zuhören mochten.
Sie waren erst wenige Schritte in die Öffnung zwischen den dick mit Moos bedeckten Findlingen getreten, als sie auf eine massive Holztüre stießen. Sie war mit mehreren Eisenbeschlägen im Gestein verankert, die bereits eine erhebliche Rostschicht aufwiesen.
Die Gefährten musterten das Hindernis eingehend.
»Cirano, versuche dein Glück.« Atharis machte eine einladende Bewegung auf die Türe zu.
Der Krieger grinste grimmig. »Einrennen, also?«
»Bevor diese Türe zerbricht, gibt vorher der Fels darum herum nach«, meinte Imares und kratzte an der Tunnelwand, um ein paar Steinchen zu lösen.
Aster lachte auf. »Aber meine Freunde! Wir wollen doch nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen! So viel Aufmerksamkeit zu erwecken, ist wirklich nicht unser Stil. Lasst mich mal! Das sieht nicht nach einem Schloss aus, das ich nicht knacken könnte.«
Atharis nickte ihr auffordernd zu.
»Spielt ihr euch einstweilen schön mit der Türe!«, rief Linara aus dem Hintergrund. »Ich bin gleich wieder da!« Mit diesen Worten verschwand die Elfe am Höhlenausgang. Nur wenige Augenblicke später tauchte sie wieder auf.
»Wie wäre es hiermit? Das hat mir einer der Orks geliehen!«, verkündete sie mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen und drückte ihrem Bruder einen eisernen Gegenstand in die Hand. Als Atharis darauf hinabblickte, musste er ebenfalls grinsen. Es war ein Schlüssel. Er steckte ihn sogleich in das Schloss und versuchte ihn zu drehen, doch er bewegte sich keinen Millimeter.
»Das Schloss muss klemmen. Ich kann nicht aufschließen!«
»Also doch einrennen?« Cirano straffte die Schultern.
»Wartet!«, rief Imares. »Lasst mich mal ran!«
Atharis und Cirano quetschten sich an den Fels, um den Jungen vorbeizulassen. Dieser stolzierte erhobenen Hauptes und mit federndem Schritt an ihnen vorbei, verbeugte sich tief vor der Türe – »Was soll das Theater?«, murmelte Aster – ergriff die Türklinke, drückte sie nach unten und stieß die Pforte zu den Höhlen der Orks schwungvoll auf.
»Aberakadabera!«, intonierte er in theatralischem Ton und vollführte eine elegante Drehung, um dann den Anblick, der sich ihm bot, in vollen Zügen zu genießen: Atharis und Cirano, wie sie mit offenem Mund dastanden und ihn anstarrten, als habe er drei Köpfe und Schmetterlingsflügel – für ihn der Inbegriff von was die Natur niemals
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