Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
erweisen.«
»Das ist typisch für Cirano!«, knurrte Linara. »Er sieht in jedem Elfen eine Gefahr!«
Atharis nickte. »Ich weiß. Doch diesmal teile ich seine Bedenken. Dieser Jacharthis verschweigt etwas. Und es scheint mir, dass er uns nur deshalb möglichst schnell verlassen will, damit wir nicht dahinter kommen, was es ist. Hältst du ihn für gefährlich?«
Die Frage überrumpelte Linara völlig. Jacharthis war ihr gegenüber sehr höflich und zuvorkommend gewesen. Nun unterstellte ihr Bruder, dass er ein Verbrecher sein könnte. Linara erinnerte sich wieder an die Vorsicht, zu der sie sich selbst ermahnt hatte, letzte Nacht in Sirvatheks Versteck. War es möglich, dass der Elf alles nur getan und gesagt hatte, um sie zu umgarnen und in Sicherheit zu wiegen? Er hatte ihr einen flüchtigen Blick in seine Seele gewährt. Sollte er sie getäuscht haben? Da waren nur Trauer und Schmerz gewesen. Es durfte keine Lüge gewesen sein! Sie wollte nicht, dass er ging.
Linara dachte an seine fast perfekte Parade, als sie Jacharthis in Sirvatheks Gemächern attackiert hatte, und an seine geschmeidigen Bewegungen beim Angriff auf den Dämon, an die Art, wie er die Dolche führte.
»Ja. Er ist gefährlich«, sagte sie und sah ihrem Bruder in die Augen. »Sobald er seine Gleichgewichtsstörungen überwunden hat, wird er absolut tödlich sein.« Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »So wie du und ich. Jacharthis ist ein Kämpfer. Er weiß, wie man eine Klinge führt. Vielleicht hat er ein Geheimnis, so wie Aster und selbst Sindra. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Vergangenheit dunkler ist, als jene von Cirano.«
Atharis richtete sich abrupt auf. »Was weißt du über Ciranos Vergangenheit?«
»Mir macht es mehr Sorgen, was ich darüber nicht weiß!«
Atharis nickte. Denn auch wenn ihn die Antwort wenig zufriedenstellte, so konnte er die Wahrheit hinter den Worten seiner Schwester nicht bestreiten. Letztendlich stammten drei seiner Rekruten aus zwielichtigen Kreisen. Atharis umgab sich mit ehemaligen Dieben und Auftragsmördern. Er hatte sie ausgewählt, wohl wissend, was sie waren. Die besten Kämpfer waren seiner Meinung nach jene, welche nichts mehr zu verlieren hatten. Ein Großgrundbesitzer mit Frau und Kindern würde es sich sicherlich zweimal überlegen, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Die Drachenreiter besaßen nichts, abgesehen von ihrem Leben und ihrer mehr oder minder großen Loyalität zueinander. Linara stellte diesbezüglich keine Ausnahme dar und Atharis zweifelte nicht daran, dass Jacharthis ebenfalls auf die eine oder andere Weise in dieses Schema passte. Auf welche Weise? Das wollte er noch herausfinden.
»Sei so gut und hol mir diesen Jacharthis her«, bat er seine Schwester. »Ich möchte mit ihm sprechen.«
Linara nickte nur und verließ das Arbeitszimmer. Sie brauchte nicht lange nach dem Elfen zu suchen. Er befand sich in der Küche nebenan, wo Sindra ihm großzügig Brötchen, Käse und Schinken auftischte, nicht ohne sich von der Schmackhaftigkeit jeder Speise persönlich zu überzeugen. Aster saß daneben und versuchte vergebens, Jacharthis in ein längeres Gespräch zu verwickeln. Als die Elfe eintrat, hoben alle drei den Kopf.
»Atharis möchte mit dir reden.« Linara biss sich nervös auf die Lippen. Es kam ihr so vor, als würde sie den Elfen vor ein Militärgericht zitieren. Sie fragte sich, ob sie ihn warnen sollte. Doch wovor eigentlich? Vor Atharis’ Misstrauen? Es war nicht mehr Misstrauen, als sie selbst Jacharthis noch vor Kurzem entgegengebraucht hatte. Was hatte er getan, um ihre Bedenken zu zerstreuen? Eigentlich nichts.
»Ich verstehe.« Jacharthis stand unverzüglich auf, als hätte er auf diesen Moment gewartet, und verließ die Küche. Als er an Linara vorbeiging, sah er ihr in die Augen. Doch sie wandte schnell den Kopf zur Seite. Es war eine reichlich klägliche Geste, wenn sie versuchen wollte, ihre Gefühle zu verbergen, das war ihr wohl bewusst. Er brauchte nicht in ihrer Seele zu lesen, um zu erkennen, dass sie überaus verunsichert war.
Atharis hatte sich gemütlich auf seinem Stuhl am Besprechungstisch zurückgelehnt. Als Jacharthis eintrat, bedeutete er dem Elfen, ihm gegenüber Platz zu nehmen.
»Ihr habt einige Fürsprecher für Euch gewinnen können«, bemerkte er.
»Das war nicht meine Absicht«, behauptete Jacharthis und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Doch seine Haltung verriet, dass er am liebsten sofort wieder
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