Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
Meisters. In Gedanken sah er einen unbändigen Jungen über den Schulhof tollen, das Hemd wie stets verkehrt zugeknöpft und die Hose voller Grasflecken. Seine Miene verfinsterte sich sogleich, als er sich des Tages erinnerte, an dem dieser Wildfang ihm erklärt hatte, das Angebot der Führung einer eigenen Schar in der Armee von Silbersee erhalten zu haben, das er anzunehmen gedachte. Erinnerungen an Berichte drängten in seinen Kopf, von einem Hauptmann, der durch seine eigenwilligen und tollkühnen Handlungen stets für Unmut bei den Generälen gesorgt hatte.
Nein, Makantheo brauchte sich wirklich keine Hoffnungen zu machen! Ein sauberes Hemd und eine polierte Rüstung bedeuteten noch lange nicht, dass sein Sohn vernünftiger geworden war.
Atharis beobachte skeptisch das Mienenspiel seines Vaters und Mentors. Ihm war wohl bewusst, dass dieser ihn lieber in der bescheidenen Kleidung eines Lehrmeisters sehen würde, wie Makantheo selbst sie trug. Daher beschloss er, den Grübeleien ein schnelles Ende zu bereiten, bevor er sich eine Predigt über familiäre Pflichten anhören musste.
»Auch ich freue mich, wieder hier zu sein, Vater. Doch was ist das für Gerede von alten Männern? Du siehst fantastisch aus – fast noch in der Blüte deines Lebens!«, intonierte er fröhlich.
»Ach, Junge, dieses fast ist längst überschritten! Alt und müde sind die Knochen mittlerweile. Dem jugendlichen Übermut meiner Schüler bin ich schon lange nicht mehr gewachsen.« Makantheo stand auf und ging zum Fenster, das den Blick auf den Innenhof der Kampfschule freigab. Auf dem niedergetrampelten Rasen eines quadratischen Platzes, der vom Haupthaus und mehreren Nebengebäuden umschlossen lag, absolvierten einige Dutzend Knaben und junger Männer ihr tägliches Aufwärmtraining. Einige Augenblicke schwieg Makantheo in Gedanken versunken und beobachtete seine Schützlinge, dann wandte er sich von dem Treiben ab und wieder seinem Sohn zu. »Nein, es wird Zeit, dass ich mir ein ruhigeres Plätzchen suche, um meinen Lebensabend zu verbringen.«
Atharis senkte den Blick zu Boden. Er hatte geahnt, dass sein Vater dieses Thema eines Tages ansprechen würde, und hatte diesen Moment gefürchtet.
»Wer wird die Schule leiten, wenn du gehst?« Er hoffte, mit dieser sachlichen Frage jegliche Gefühle, die in ihm aufzusteigen drohten, zu unterdrücken. Makantheo war mittlerweile weit über siebzig Jahre alt, doch Atharis konnte sich nicht damit abfinden, dass selbst den größten Kämpfer einmal die Zeit einholt.
»Keine Sorge, darüber habe ich bereits nachgedacht. Unter meinen Abschlussschülern ist ein sehr gewissenhafter, junger Mann namens Rikaro. Ich denke, du kennst ihn.«
Atharis nickte bestätigend. Er hatte in den letzten Jahren seiner Ausbildung viel Zeit mit Rikaro verbracht. Man konnte behaupten, sie waren so etwas wie Freunde gewesen. Dann war er zum Militär gegangen und ihre Wege hatten sich getrennt.
»Er vertritt mich bereits jetzt das eine oder andere Mal. Ich habe noch nicht mit ihm darüber gesprochen, doch halte ich ihn für einen würdigen Nachfolger.« Makantheo bedachte seinen Sohn mit einem vielsagenden Blick. »Natürlich würde ich es begrüßen, wenn die Schule im Familienbesitz bliebe. Doch ich fürchte, ich vergeude meine Kräfte bei dem Versuch, dies zu realisieren.«
Unfähig, den grauen Augen standzuhalten, wandte Atharis den Kopf zur Seite. Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft sein Vater mit Anspielungen dieser Art seinen Unmut darüber kundgetan hatte, dass sein Erbe sich nicht für die Lehre der Kampfkünste interessierte und die Schule übernehmen wollte, sondern stattdessen in den Dienst des Militärs getreten war.
»Du kennst mich nur zu gut und weißt, dass ich meine Aufgabe bereits gefunden habe.« Er schwieg einen Moment und überdachte diese neuen Entwicklungen. »Doch, was wird aus deiner Lieblingsschülerin , wenn du dich völlig in die Einsamkeit der Berge zurückziehst?«
Ein Schatten der Besorgnis legte sich auf das Gesicht des alten Schulmeisters. Er sprach leise und seine Stimme klang verunsichert. »Ich weiß, sie wird mich begleiten wollen ...« Dann fügte er hastig hinzu: »Doch sie versteht sich mit fast allen hier sehr gut und so wird ihr die Trennung nicht so schwerfallen. Außerdem gehe ich ja nicht gleich und nicht ans Ende der Welt! Noch nicht.«
»Sie kann doch nicht ewig hierbleiben, Vater! Diese Schule ist seit ihrer Gründung ausschließlich männlichen Kämpfern
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