Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
funktionieren … müssen. Andernfalls würden sie hier kämpfen, bis die Sonne wieder unterging und noch darüber hinaus.
Linara sprang vor und ließ ihr linkes Schwert tief auf Jacharthis zufliegen, wo er es leicht abfangen konnte. Unmittelbar bevor sie seine Klinge berührte, die ihr bereits entgegengeschnellt kam, riss sie ihr Schwert zurück und drehte sich nach rechts von ihrem Gegner weg. Noch im Herumwirbeln schlug sie die Waffe in ihrer Rechten in einem knappen Bogen hinter sich gegen den Rücken des Elfen. Doch wer den Kampfstil der Waldelfe genau kannte, hätte vielleicht das kurze Zögern inmitten ihrer Bewegung wahrgenommen. Linara war sich nicht sicher, ob sie ihr Manöver wirklich ausführen wollte. Immerhin bewegte sich ihr rechtes Schwert für Sekundenbruchteile außerhalb ihres Sichtfeldes, weshalb sie nicht genau abschätzen konnte, wann es Kontakt mit ihrem Gegner bekommen würde. Anders als ihr Bruder, der auch bei ihren gemeinsamen Trainingskämpfen stets seine Rüstung angelegt hatte, trug der junge Elf nur ein dünnes Hemd auf dem Leib und sie kämpften beide nicht mit Übungswaffen. Linara scheute sich davor, Jacharthis zu verletzen. Deshalb drehte sie die Klinge in ihrer Hand, sodass sie mit der Breitseite treffen würde, bevor sie ihren kleinen Trick zu Ende führte.
Das Manöver baute darauf auf, dass der Gegner dem ersten Angriff zu entgegnen versuchte, unerwartet auf keinen Widerstand stieß, in Vorlage geriet und deshalb nicht schnell genug reagieren konnte, um das Schwert in seinem Rücken abzufangen. Linara hatte mit dieser Finte früher gelegentlich ihren Bruder im Duell besiegen können. Bei Jacharthis, der ihren Trick noch nicht kennen konnte, erwartete sie sich nun einen ähnlichen Erfolg. Umso größer war daher ihre Überraschung, als ihr rechtes Schwert widerstandslos die Luft durchschnitt. Verwundert vollendete sie ihre Drehung und starrte nur auf grünes Gras, wo sie eigentlich den Elfen erwartet hatte. Unbehaglich zuckte sie zusammen, als sich der kalte Stahl einer rasiermesserscharfen Dolchklinge an ihren Hals legte.
»Du bist tot«, flüsterte Jacharthis ihr von hinten ins Ohr.
»Du kannst deinem Gegner den Rücken zuwenden, doch lasse ihn niemals aus den Augen«, fügte er hinzu und ließ seine Waffen in die Scheiden gleiten. »Wenn er wendig genug ist, wird er versuchen, sich deinen toten Winkel zunutze zu machen, und du wirst den tödlichen Stoß nicht einmal sehen, geschweige denn abwehren können. Du kannst nicht ein Manöver, das dir gerade gefällt, stur durchzuführen versuchen, ungeachtet dessen, was dein Gegenüber tut. Zu einem guten Kampf gehören immer mindestens zwei – du kannst deinen Gegner nicht einfach ignorieren. Beobachte ihn, bis du seine Gedanken förmlich spüren kannst, dann wirst du ihm immer einen Schritt voraus sein. Abgesehen davon ...« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Es ehrt mich, dass du gezögert hast. Doch wenn du mich besiegen willst, darfst du nicht gleichzeitig Angst davor haben.«
Linara ließ sich ins Gras fallen und blinzelte gegen die Sonne zu ihm auf. »Du bist verdammt gut«, lobte sie. »Wer hat dich eigentlich ausgebildet?«
Jacharthis zögerte. »Wenn man jahrelang auf seine Waffen angewiesen ist, muss man sich stets um eine Perfektionierung der eigenen Kampffähigkeiten bemühen. Andernfalls findet man sich eines Tages mit durchgeschnittener Kehle wieder«, antwortete er schließlich ausweichend. »Es hilft viel, seinen Gegner aufmerksam zu studieren.«
Linara legte neugierig den Kopf schief. Er hatte ihre Frage nicht beantwortet – wieder einmal. Sie hatte nicht vor, sich diesmal so leicht abwimmeln zu lassen und bohrte weiter. »Das klingt, als hättest du etliche Kämpfe gegen Gegner gefochten, die technisch viel zu bieten hatten. Orks und Goblins kommen dafür sicherlich nicht infrage.«
»Man muss sich den unterschiedlichsten Wesen stellen, wenn man in der Wildnis überleben will.«
»Wie viele dieser Wesen «, sie dehnte das Wort übertrieben in die Länge, um ihm damit zu verstehen zu geben, dass eine derart unpräzise Aussage sie nicht zufriedenstellte, »haben überlebt?«
» Ich habe überlebt«, erwiderte der Elf zweideutig.
Linara erkannte ein weiteres offenes Fadenende und versuchte es erneut. »Wie lange hast du denn in der Wildnis gelebt?«
Jacharthis seufzte. »Viel zu lange! Verstehe mich nicht falsch! Die Natur war immer schon mehr mein Zuhause als jedes Gebäude. Doch wachte ich
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