Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
Verwandtschaft
Sindra blinzelte verschlafen über den Rand ihrer Bettdecke hinweg. Die Sonne stand noch tief über der östlichen Ebene und tauchte ihr Zimmer in goldenes Licht. Doch das war es nicht, was sie so plötzlich aus ihren Träumen gerissen hatte.
Das Halbling-Mädchen richtete sich im Bett auf und lauschte.
Durch das halb geöffnete Fenster drang das fröhliche Gezwitscher mehrerer Sperlinge, die mit einer Amsel um die Wette sangen. Das Ganze wurde untermalt von einem Klirren, das sich anhörte wie ...
Das Frühstücksbesteck?
Sindra stellte sich vor, wie Atharis an das Bett trat und ihr einen großen Teller mit Rosinenbrötchen reichte, dazu Butter und Marmelade.
Nein. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen. So etwas geschah nur in ihren süßesten Träumen. Enttäuscht verscheuchte sie die Vorstellung, die ihren Magen zum Knurren brachte. Doch das Klirren blieb. Hell und rhythmisch. Sie hatte das schon mal gehört ... Sie hatte das schon zu oft gehört!
Mit einem Satz war Sindra aus dem Bett und stürmte zur Tür hinaus. Sie wusste jetzt, was es war! Es war das unverkennbare Geräusch von klirrenden Schwertern. Auf der Drachenfarm tobte ein Kampf!
In einer für sie beachtenswerten Geschwindigkeit hechtete Sindra zu Linaras Schlafgemach und riss die Tür auf. Der Raum war leer. Keine Elfe zu sehen. Also die Treppe hinunter!
Auf dem Flur machte Sindra halt und sah sich unschlüssig um. Zu gerne hätte sie Atharis zu Hilfe geholt, doch dieser hatte sich auf Kartianas Anraten hin für den Rest der Woche freigenommen und war aufgebrochen, um seinen Vater zu besuchen. Verdammt noch mal! Welches Gesetz der Welt besagte, dass derartige Zwischenfälle immer dann eintraten, wenn man auf sich alleine gestellt war?
Sindra rannte weiter ins Arbeitszimmer, wo, wie sie wusste, in der untersten Schublade ein kleiner Dolch verborgen lag. Mit erhobener Waffe und nichts als einem dünnen Nachthemdchen an der Haut stürmte sie nach draußen. Nervös blickte sie sich nach der Quelle der Kampfgeräusche um.
Auf einer nahen Wiese im kniehohen Gras umtanzten Linara und Jacharthis einander und lieferten sich ein unerbittliches Schwertduell. Funken stoben nach allen Seiten. Unweit davon saßen Aster und Imares auf einem Holzgatter. Sie hatten einen Kübel zwischen sich gehängt, aus dem sie unentwegt Kirschen angelten.
Imares stopfte sich gerade eine weitere der prallen Früchte in den Mund, als er das Halbling-Mädchen bemerkte, das auf sie zugerannt kam, verzweifelt die Hände ringend.
»Warum unternehmt ihr denn nichts?«, keuchte Sindra vorwurfsvoll, als sie ihre Freunde erreichte. »Sie werden sich noch gegenseitig umbringen!«
Aster führte eine Hand zum Mund, um ihr breites Grinsen zu verbergen, während Imares bemüht lässig entgegnete: »Das halte ich für unwahrscheinlich!« Er spuckte einen Kirschkern über Sindras rechte Schulter. »Seit einer guten halben Stunde geht das nun schon so, ohne dass auch nur einer von beiden den geringsten Vorteil erlangen konnte.« Der Junge sah um Bestätigung heischend zu der Sonnenuhr zurück, die oberhalb des Haustores angebracht war. Er kniff die Augen zusammen, um die ausgeblichenen Farben des Ziffernblattes erkennen zu können. Sindra schob es schon seit Monden vor sich her, sich darum zu kümmern, dass die Wand frische Farbe erhielt.
»Aber ...«, begann Sindra, brach jedoch ab, da ihr Blick auf Aster fiel, die alle Mühe hatte, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Langsam begann sie zu begreifen, was hier eigentlich los war. Die beiden Elfen waren nicht, wie sie gefürchtet hatte, mit feindseligen Absichten aneinandergeraten. Jacharthis hatte nicht seine dunkle Seite offenbart und trachtete Linara nach dem Leben. Es war nur ein Spiel für die beiden, das freundschaftliche Kräftemessen zweier Kämpfer.
Imares langte tief in den Kübel hinein – eben war er doch noch randvoll gewesen – und reichte Sindra eine Handvoll Kirschen. »Komm, setz dich zu uns und genieß die Show!«
Linara wurde zunehmend ungeduldig. Jeder ihrer Angriffe stieß auf eine lückenlose Parade. Welch gewagtes Manöver sie sich auch einfallen ließ, Jacharthis’ Dolche waren zur Stelle, fingen ihre Klingen ab, nur um zu einem nicht weniger kühnen Konter überzugehen. Bislang hatte keiner der beiden Kämpfenden den anderen auch nur zu streifen vermocht.
Da fiel Linara etwas ein. Bei Atharis hatte das eigentlich immer geklappt! Ja, es würde auch bei dem Elfen
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