Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
gewissen Widerspruch in den Anweisungen der Herrin«, fuhr der Elf fort. »Wie sollen wir jemanden auf frischer Tat ertappen, wenn wir gleichzeitig eine Ausgangssperre verhängen?«
»Willst du diese Leute dort unten etwa als Köder benutzen?«, fragte Linara entsetzt.
»Willst du die Mörder fangen?«, konterte Jacharthis und beugte sich noch ein wenig vor, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten.
Linara wandte sich abrupt ab und der Elf bekam ihre Haare ins Gesicht gepeitscht.
»Aber zu welchem Preis?«, fauchte sie.
Jacharthis antwortete nicht und auch Linara fiel in Schweigen.
Darauf spekulierend, dass ihr der Gedanke keine Ruhe lassen würde, wartete er ab.
»Ich werde den Köder spielen!«, sagte sie plötzlich.
Das war es nicht, was der Elf von ihr hatte hören wollen. Schockiert ergriff er sie bei der Schulter und drehte sie zu sich herum. »Wir wissen, dass unser Feind präzise tötet und erstklassige Waffen benutzt. Das Risiko ist zu groß!«
»Ach, jetzt ist das Risiko plötzlich zu groß?« Nun waren es ihre Augen, die herausfordernd funkelten.
Jacharthis seufzte. Linara war nicht nur eine hübsche, junge Elfe. Sie war eine Kriegerin. Ihr Leben aufs Spiel zu setzen, war für sie keine neue Erfahrung. Sie kannte den Preis.
Es war eine Situation, die Jacharthis nicht gewohnt war. In der Vergangenheit hatte er fast ausschließlich alleine gekämpft. Jedes Gefecht, das er ausgetragen hatte, hatte lediglich zwei Seiten gehabt. Eine Niederlage hätte seinen Tod bedeutet, der Sieg das Leben seines Feindes gefordert. Jacharthis hatte diese Bedingungen akzeptiert. So wie Linara ihr Risiko kannte und bereit war, es zu tragen. Aber er selbst war nicht bereit. Er wollte sie nicht verlieren.
»Ich werde gehen!« Wie er es erwartet hatte, setzte Linara bereits zu einem Einwand ihrerseits an. »Wenn es kritisch wird, kann ich immer noch davonfliegen«, fügte er schnell als Argument hinzu, das jedoch nicht sehr stichhaltig war. Wenn die Angreifer so professionell vorgingen, wie er vermutete, konnte er nicht hoffen, genügend Zeit für eine Verwandlung und anschließende Flucht zu haben.
Linara schüttelte entschieden den Kopf. »Ich wirke als Frau schwächer und leichter angreifbar als du. Ich bin ein viel verlockenderer Köder. Außerdem werde ich ja doppelt gut beschützt! Ich werde mich in einem Gebiet aufhalten, das aus der Luft gut einsehbar ist, damit die Drachenreiter freie Schusslinie haben, sobald jemand auch nur in meine Nähe kommt. Und im Notfall«, sie lehnte sich zurück und blinzelte ihn mit einem unschuldigen Augenaufschlag an, »wird ja ein Phönix auf mich aufpassen.«
Jacharthis seufzte erneut. »Ich glaube nicht, dass du bei deinem Plan alle wichtigen Faktoren berücksichtigt hast.«
Linara setzte sich kerzengerade hin.
»Darauf wollte ich dich vorhin schon hinweisen.« Er zeigte auf den Wald hinab. »Schau nach unten und sag mir, was du siehst.«
Linara holte tief Luft und wollte mit einer Aufzählung beginnen, die vermutlich von Bäumen über Büsche und Gräser bis hin zu Eulen, Mäusen und Rehen gereicht hätte. Doch Jacharthis hob die Hand und unterbrach sie, noch bevor sie beginnen konnte. »Nein«, korrigierte er. »Sag mir besser, in welchen Farben du es siehst.«
Ihre Augen wurden groß voll Unbehagen.
»Ich bin natürlich kein Waldelf«, stichelte Jacharthis. »Doch ich bin schon eine ganze Weile völlig auf meine Nachtsicht angewiesen, wenn ich zwischen den Bäumen mehr als nur Schatten erkennen will.«
»Ups!«, machte Linara.
»An deiner Stelle würde ich deine Leute auf den Boden zurückholen«, schlug er vor. »In der Luft sind sie nicht mehr viel wert.«
Linara sah sich hastig nach ihren Gefährten um. »Warum haben sie denn nichts gesagt? Gegenüber Atharis sind sie doch auch nicht so zimperlich mit Beschwerden!«
Jacharthis zuckte mit den Schultern. »Es ist natürlich nur eine Vermutung, doch könnte ich mir vorstellen, dass Cirano versucht, diesen Einsatz zu boykottieren, um zu beweisen, dass Elfen nicht Menschen befehligen sollten.«
Stille.
Keine Grille zirpte. Keine Eule schrie. Der Wind ruhte.
Nur ihr Herz pochte viel zu laut in ihrer Brust. Es hallte in ihren Ohren wider.
Nervös sah Linara über die Schulter. Kein Blatt regte sich. Sie war allein. Völlig allein.
Nein! Ihre Freunde waren ganz in der Nähe. Sie musste auf ihre Fähigkeiten vertrauen.
Langsam ging sie ein paar Schritte vorwärts.
Etwas knackte im Unterholz – links
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