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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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sein. Ich bin abhängig von ihnen. Vielleicht sollte ich schreiben, dass ich abhängig von ihnen war, da sich doch inzwischen so vieles verändert hat, aber warum sich mit diesen Spitzfindigkeiten aufhalten? Damals wie heute. Bevor Sie wissen, was mir zugestoßen ist, liegt ja sowohl meine Vergangenheit als auch meine Gegenwart noch in der Zukunft. In Ihrer Zukunft und in der Zukunft der Erzählung.
    Verzeihen Sie, ich schweife schon wieder ab. Es ist spät in der Nacht, ich habe beschlossen, nur nachts zu schreiben, die Dunkelheit scheint mir genau die richtige Grundlage zu bilden für das, was ich zu erzählen habe. Das richtige Element.
    Was noch?
    Mein Name?
    Jakob Daniel Marr.
    Ich bin es, der Jakob Daniel Marr ist. Bitte glauben Sie meinen Worten. Das bin ich. Ich bin ... war ... an diesem Morgen im November gerade 48 Jahre geworden.
    Ich war verheiratet. Lebte in einer mäßig glücklichen Ehe, die mit Liebe begann und mit einem Arrangement endete, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wir haben jung geheiratet. Früh Kinder bekommen. Zwei Stück, beide sind ausgeflogen, das eine nach dem anderen. Einen Sohn und eine Tochter, sechsundzwanzig und dreiundzwanzig.
    Und ich arbeitete wie gesagt seit fast zwei Jahrzehnten im Elementar. Als Lehrer für Geschichte und Philosophie. Ich habe keine Veranlagung für Horrorromantik und pflege zu wissen, wovon ich rede. Mehr als die meisten, möchte ich einmal behaupten.
    Genug davon. Wir werden noch auf das eine oder andere zurückkommen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Jetzt sitze ich bereits im Auto. Die Morgenminuten rinnen dahin, dreizehn oder sechzehn, und es gibt andere Dinge, die fertig gemacht werden müssen, bevor ich angekommen bin.
     
    Vielleicht hat es in erster Linie mit der Konstitution zu tun. Vielleicht bin ich trotz allem eine anfällige Person. Andererseits kann es aber auch so sein, dass ich eigentlich ein sehr starker Mensch bin. Während ich das schreibe, fällt es mir schwer, diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen. Erlauben Sie mir diesmal, den Begriff undefiniert stehen zu lassen. Übrigens ist das nicht Ihre Entscheidung, sondern meine. Ich lasse mich nicht einkreisen, damit müssen Sie sich schon abfinden. Das gehört zu den Bedingungen, lassen Sie uns also ein Abkommen dahingehend treffen, dass das in Zukunft nicht mehr in Frage gestellt wird.
    Diese morgendlichen Fahrten mit dem Wagen haben sich also im Laufe der Jahre zu einer Art Notwendigkeit entwickelt. Eine Schleuse, in der ich mich eine Weile aufhalten muss, bevor ich bereit bin, mich in die Welt und in die so genannte Wirklichkeit zu begeben.
    Stärke oder Schwäche? Urteilen Sie selbst! Wie auch immer, es ist in gewisser Weise für die Seele unerlässlich, ein meditativer Zustand, dessen Gewicht und Bedeutung ich wie viele meiner Mitbrüder und Schwestern zu schätzen weiß. Diejenigen, die allen Geboten und Schwierigkeiten trotzen und weiterhin allein in ihrem Wagen zur Arbeit fahren. Die sich weigern, auf kargen Trottoiren auf Busse zu warten, die niemals kommen. Oder auf die Straßenbahn. Die nicht bereit sind, sich dem noch bettwarmen Ekel eingepferchter Körper in aufgezwungener Intimität auszusetzen. Ganz zu schweigen von dem Erkältungsrisiko.
    Warum strengen sich unsere Behörden nicht an, unsere Bedürfnisse zu verstehen, statt sie zu bekämpfen? Alles, was Menschen mit einiger Penetranz und Regelmäßigkeit unternehmen, muss ja wohl auf irgendeinem grundlegenden Bedürfnis begründet sein.
    Das ist natürlich eine Binsenweisheit. Ich weiß nicht so recht, warum ich das hier behandle, ich dachte, es wäre nötig, und deshalb habe ich es gemacht. Manchmal verspüre ich einen unbändigen Drang, mich mit der quälenden, monumentalen Dummheit der Obrigkeit auseinander zu setzen.
     
    Die Schranken waren unten. Sechzehn Minuten statt dreizehn. Kein Zweifel, ich würde zu spät kommen.
    Doppelstunde mit der naturwissenschaftlichen Unterprima. Die Sache beunruhigte mich nicht besonders. Eine reife, homogene Klasse, da würde keiner gleich ins Sekretariat rennen. . . Während ich darauf wartete, dass der Zug vorbeifahren würde, ging ich die ersten Minuten der Stunde durch. Das war eine Regel, die ich im Laufe der Jahre gelernt hatte – zu unterrichten ist ungefähr wie Schach spielen. Plane nie mehr als zwei, drei Züge, der Rest ist sowieso unübersehbar.
    Ich parkte auf meinem üblichen Platz hinter der Turnhalle. Ging schnell, aber ohne Hast quer über den Schulhof, unter

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