Barins Dreieck
ich.
Jeder braucht seinen Glauben, aber für eine Person mit zumindest rudimentärer philosophischer Schulung ist es einfach schwer, so ohne weiteres zu akzeptieren, dass ein und derselbe Körper zu ein und demselben Zeitpunkt sich an verschiedenen Punkten des Raumes befindet. Wenn auch ziemlich nah beieinander.
In erster Linie war es natürlich eine Frage meines eigenen Körpers. Die Sache empörte mich, mit anderen Worten. Aber ich möchte unterstreichen, dass es sich eigentlich nur um eine intellektuelle Empörung handelte. Diese besondere, ein wenig schroffe Aufwallung, die man gern gegenüber einer Ungerechtigkeit, einer absurden Behauptung oder einem Widerspruch empfindet.
Schnell kam ich zu dem Schluss, dass die Lage gefühlsmäßig eine andere war. In keiner Weise hatte ich irgendetwas gegen das Eingetroffene einzuwenden.
Wenn es für mich möglich war, mich in Saal XII zu befinden, meinen Unterricht zu erteilen und meinen Unterhalt zu verdienen, während ich gleichzeitig etwas vollkommen anderes tat, beispielsweise hier im Auto sitzen, so hatte ich nichts dagegen. Zumindest nicht unter der Voraussetzung, dass ich sehr viel lieber hier im Auto war.
Was sich zu dieser Zeit – ich schaute auf die Uhr: 09.25 Uhr – im Elementar zutrug, davon hatte ich nicht die geringste Ahnung. Es war zu hoffen, dass ich auf dem besten Wege war, den zweiten Teil der Doppelstunde mit der Klasse abzuwickeln. Vielleicht hatte ich den Universalstreit abgehandelt und den Schülern einige geeignete Texte in die Hand gedrückt. Es gibt da bestimmte Muster, auch wenn ich wie gesagt nie die ganze Unterrichtsstunde plane.
Haben Sie Einwände?
Während ich so im Nachhinein versuche, meine Gedanken und meinen Gemütszustand an diesem ersten Tag zu rekonstruieren, habe ich das Gefühl, dass alles etwas ... unengagiert erscheint, oder?
Geradezu leichtsinnig.
Ist es wirklich möglich, so könnten Sie sich fragen, dass ich mich nach so einem Erlebnis einfach ins Auto gesetzt habe und planlos davongebraust bin? Einem Erlebnis, das angemessenerweise. . . angemessenerweise – was?, muss ich Sie fragen.
Wie hätten Sie selbst sich verhalten?
Sie glauben, Sie wüssten es!
Sich auf den Boden geworfen? Mit den Augen gerollt und Schaum vor den Mund bekommen? Hätten Sie Hilfe gesucht? Wären zu einem Pfarrer gegangen? Zum Arzt? Oder zum Psychiater?
In dem Fall haben Sie nicht das hinter sich, was ich hinter mir habe – zwei Krankenhausaufenthalte.
Lassen Sie mich Ihnen einen Rat geben: Wenn Sie das Gefühl haben, wahnsinnig zu werden – halten Sie es so lange geheim, wie es nur geht!
Vielleicht würden Sie versuchen, mehr über den Stand der Dinge herauszubekommen? In der Schule anrufen und nachfragen?
Sind Sie sich dessen sicher? Hand aufs Herz!
All right. Das war ja auch genau das, was ich nach einer Weile tat. Früher oder später wird das Bedürfnis, sich zu vergewissern, einfach zu stark, aber das war nichts, was mich zu Anfang beschäftigte, während dieser ersten Stunden. In keiner Weise. Ganz im Gegenteil. Wenn ich ehrlich sein soll, dann erschien mir diese ganze Situation alles andere als unangenehm. Es gab Gedanken, die mich während dieser dreizehn oder sechzehn Morgenminuten stärker als andere beschäftigt hatten, und zu denen gehört zweifellos die Überlegung, alles hinzuschmeißen. Einfach nur weiterzufahren. An diesem verfluchten Gymnasium vorbeizufahren, in dem ich meine Jugend und meine Mannesjahre vergeudet habe. Abhauen. Sich davonstehlen. Am Abend in einer fremden Stadt sein. Das gesamte Geld vom Konto abheben, in einem verborgenen, aber sauberen Hotel unterkommen. Am Abend im Speisesaal bei einem schweren Wein sitzen und auf das Essen warten, während ich die Abendzeitung überfliege ... Oder die Frau beobachte, die allein ein paar Tische weiter sitzt.
Ich gehe davon aus, dass Ihnen diese Gedanken vertraut sind. Wenn Sie sich so etwas nie überlegt haben, dann weiß ich nicht, ob ich Sie bedauern oder auslachen soll. Die Frage ist dabei doch nur, welche Bedeutung und welche Schwere wir ihnen geben.
Zu viele Worte?
Ich weiß. Wir müssen in der Geschichte weiterkommen.
Es gehört zu den Routinen im Elementargymnasium, das wir während der Vormittagspause zusammen Kaffee trinken. Mit den Jahren ist auch das zu einem unabdingbaren Ritual geworden, und nachdem ich fast zwei Stunden in meinem Auto gesessen hatte, spürte ich plötzlich, wie mich eine große Müdigkeit überkam. Mir war klar, dass
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