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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Schäferhund.
    Ein großer, magerer Mann betrat den Raum.
    »Leonora«, sagte er. Es klang ein Ton von Melancholie in seiner Stimme mit, und ich begriff, dass er die Situation durchschaut hatte.
    Sicher war es nichts Neues für ihn.
    Er blieb stehen, die Hände in die Seiten gestemmt, während er sie betrachtete. Er gab dem Hund einige aufmunternde Klapse, murmelte etwas, und dann verschwand sie die Treppe hinauf.
    »Hat sie Sie angefasst?«, fragte der Mann.
    »Nein ...«
    »Meine Frau ist nicht ganz gesund. Ich hoffe, Sie nehmen ihr das nicht übel. Darf ich Ihnen dafür etwas spendieren? Sozusagen als Pflaster auf die Wunde ...«
    Er lachte hohl, und der große Kummer in seinen Augen war nicht zu übersehen.

    4

    Der betrübte Liebeshavarist Ein Einschub

    Nun trägt ja jeder Tag seinen eigenen Wendepunkt in sich.
    Diesen Augenblick, in dem der unumgängliche Glückswurf seinen Platz hat. An bestimmten grauen Tagen kann das Geschehen sich natürlich in die Länge ziehen und verblassen – so verwaschen sein, dass es in erster Linie nur die Frage von einem ansteigenden Gefühl ist, das in ein fallendes übergeht. Ein Gipfel, den wir gar nicht bemerken, wenn wir ihn überschreiten, auch wenn wir die ganze Zeit nach ihm Ausschau halten.
    An anderen Tagen überfällt uns die Einsicht mit überraschendem Schmerz. Die Unschuld wird uns genommen. Versprechen werden gebrochen. Unsere unspezifische Sehnsucht entschließt sich, noch eine Nacht zu warten.
    Sie wissen, wovon ich rede, nicht wahr?
     
    An diesem Tag, es war immer noch der Donnerstag wie gesagt, natürlich will ich darauf hinaus, da traf der Wendepunkt genau zwischen zwei Käsebroten im Café Freiheit ein. Mit einer halben Tasse noch nicht getrunkenen Kaffees.
    Mein magerer Wirt strich die ganze Zeit im Lokal herum und überwachte meine einfache Mahlzeit. Er wachte mit traurigen Augen, vorsichtig in weiten Kreisen um meinen Tisch wandernd. Ab und zu schien er Zeilen aus einem Lied zu summen, aber zum Schluss wurde alles von einer Durchsichtigkeit überdeckt, mit einem Seufzer zog er einen Stuhl heraus und ließ sich mir gegenüber nieder.
    Da er mich eingeladen hatte, konnte ich natürlich nicht einfach so wieder wegfahren. Vielleicht wäre es auch unter anderen Umständen nicht möglich gewesen. Sein Bedürfnis zu sprechen lag offen zu Tage. Hinter den angespannten Kiefermuskeln lagen die Worte bereit. Während ich eine Zigarette aus meiner zerknitterten Packung herausklopfte, nickte ich ihm aufmunternd zu.
    »Erzählen Sie«, sagte ich. Ein Hauch von Erleichterung zeigte sich augenblicklich auf seinem Gesicht. Er räusperte sich und fuhr sich mit der Hand durch das grau melierte Haar.
    »Wir haben einander die Freiheit gegeben«, setzte er an. »Ich war derjenige, der sie forderte, und alles ist nur meine Schuld.«
    Er schaute mich an, aber ich hatte keine Fragen.
    »Drei Jahre waren wir verheiratet, als ich mich plötzlich und ganz gegen meinen Willen in eine andere Frau verliebte. Heftig und rettungslos. Ich zwang meine Frau ...«
    Er verstummte. Wir konnten sie oben hin und her gehen hören, und wir hoben beide für einen Moment den Blick. Der Schäferhund an der Treppe jaulte unglücklich.
    ». . . ich zwang meine Frau, mich die Affäre ausleben zu lassen.«
    Ich nickte.
    »Einen Monat lang hatte ich eine intensive Liebesbeziehung mit einer anderen Frau. Dann war es vorbei. Ich ging wieder zurück zu meiner Frau, aber von dem Augenblick an war sie für mich verloren.«
    Ich rauchte und schaute aus dem Fenster. Ein paar Kinder waren in den Straßenkreuzer geklettert. Sie saßen drinnen, schalteten und versuchten das Lenkrad zu drehen.
    Ich will das nicht hören, dachte ich. Lass mich weggehen! Warum musst du mich dieser Sinnlosigkeit aussetzen? Habe ich nicht genug mit meinen eigenen Sachen zu schaffen?
    »Sie hatte inzwischen vier andere Liebhaber gehabt. War bereits von einem von ihnen schwanger. Haben Sie unsere Kinder gesehen?«
    Ich zuckte mit den Schultern, was immer das auch bedeuten sollte.
    »Fünf Kinder von fünf verschiedenen Vätern. Vielleicht bin ich einer von ihnen, aber ich bin mir dessen absolut nicht sicher. . .«
    Wir hörten sie wieder. Ein paar zögerliche Liederzeilen, die die Treppe herunter klangen und den Hund die Ohren spitzen ließen. Vielleicht war es sogar die gleiche Melodie, die der Mann gesummt hatte. Vielleicht war es ja ihr Lied?
    Draußen kam die Sonne hinter einer Wolke hervor. Ein Kind war auf einen Baum

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