Barins Dreieck
stimmte natürlich nicht. Spät am gestrigen Abend hatte ich mich einer schönen Schriftstellerin von »de Journaal« verkauft. Ich hatte zweitausend Gulden für Interview plus Bilder bekommen, wäre aber natürlich sehr viel lieber ganz umsonst mit ihr ins Bett gegangen. Meine sexuelle Not war gerade in diesen Tagen ziemlich groß.
Das Telefon hatte auch ein paar Mal geklingelt. Ich weiß nicht, wie man an meine Nummer gekommen war, und jedesmal erklärte ich ganz verwundert, dass ein David Moerk nie unter dieser Adresse gewohnt habe.
Etwas später am gestrigen Abend hatte sich mir auch ein rotnasiger Zeilenschinder von einer obskuren Wochenzeitschrift aufgedrängt, als ich im Vlissingen saß, aber er ließ sich alles in allem relativ einfach abspeisen.
Nachdem ich fertig geduscht hatte – es war immer noch dieser Donnerstagmorgen in der ersten Verhandlungswoche –, spürte ich plötzlich eine unbezwingbare Lust, wieder dorthin zu gehen.
Zurück ins Gerichtsgebäude, meine ich. Um zu sehen, wie sich das Ganze entwickelte, wie ich mir einzureden versuchte. Aber ich wusste natürlich, dass es sich eigentlich um Mariam Kadhar handelte. Ich musste sie wiedersehen. Überprüfen, ob sie aussah wie im Traum, schauen, ob es möglich war, einen kurzen Blickkontakt zu erhaschen, kontrollieren, ob ihre zerbrechlichen Schultern ihre Blässe behalten würden, komme, was da wolle.
Da meine Zeugenaussage erledigt war, gab es auch keinen Grund, warum ich mich fern halten sollte. Mein Part in der Geschichte war beendet, und ich hatte das gleiche Recht auf Einblick in die Rechtsmaschinerie wie jeder andere Staatsbürger. Oder auch Ausländer.
Sobald der Entschluss gefasst war, hatte ich es eilig. Ich stürzte auf die Straße in dem Bewusstsein, dass ich nur noch eine Viertelstunde hatte, bis die Zuhörer eingelassen würden. Ich winkte mir ein Taxi heran und bat den Fahrer, so schnell zum Gericht zu fahren, wie er konnte.
Ich muss wohl die Hoffnung gehabt haben, dass sie das gleiche schulterfreie Kleid tragen würde wie beim letzten Mal.
Das gleiche wie an dem Tag, als ich in den Zeugenstand trat.
Das gleiche wie im Traum.
Aber das tat sie nicht. Eine andere dunkle Geschichte, das schon, aber es enthüllte nicht den Schatten eines Schlüsselbeins.
Es gelang mir, einen guten Platz zu ergattern, obwohl ich etwas zu spät gekommen war, ganz rechts außen in der ersten Reihe der Tribüne, von wo aus ich einen guten Überblick hatte und Mariam Kadhars vollkommenes Profil direkt neben ihrem Anwalt sehen konnte.
Und wenn sie auf der Zeugenbank saß, wandte sie mir natürlich die andere Seite zu.
Eine atemlose Stille beherrschte den Saal, als sie aufstand und mit verhaltener Würde die wenigen Schritte zur Zeugenbank ging. Sie setzte sich, trank ein wenig Wasser und faltete die Hände vor sich im Schoß. Es war beeindruckend. Ich spürte, wie ich auf den Unterarmen eine Gänsehaut bekam.
Der Staatsanwalt nahm seinen üblichen Platz ein, sog die Wangen ein und ließ die Zunge einige Male über die Zähne gleiten, als hätte er soeben einen guten Cognac genossen und wolle sich nun vergewissern, dass ihm auch nichts von dem Nachgeschmack entging. Dann hustete er leicht in die Hand und begann.
»Frau Kadhar, wie lange waren Sie mit dem Schriftsteller Germund Rein verheiratet?«
Sie antwortete nicht sofort, es sah so aus, als würde sie tatsächlich nachrechnen.
»Fünfzehn Jahre. Daran fehlen nur zwei Monate.«
»Wie alt waren Sie, als Sie ihn geheiratet haben?«
»Vierundzwanzig.«
»Und wie alt war Ihr Mann damals?«
»Zweiundvierzig.«
Gleich rechts von mir saß ein älterer Mann, der sich Notizen machte. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass er sogar stenografierte, und ganz richtig stand am nächsten Tag Mariam Kadhars Verhör im »Telegraaf« zu lesen. Wort für Wort.
»Haben Sie Kinder?«
»Nein.«
»Sie waren vorher noch nie verheiratet?«
»Nein.«
»Und Ihr Mann?«
»Zweimal.«
Der Staatsanwalt nickte und machte eine kurze Pause. Immer noch konnte man wahrnehmen, wie nicht nur die Zuhörer auf der Tribüne, sondern selbst die Gerichtsdiener den Atem anhielten. Die Stille in dem vollbesetzten Saal erschien vakuumartig – als hätte sie eine Art akustischen Unterdruck produziert. Ich erinnere mich noch genau daran. Als Otto Gerlachs Verteidiger zweimal mit seinem Kugelschreiber knipste, richteten sich eine Sekunde lang alle Blicke auf ihn.
»Hatte Germund Rein Kinder aus früheren
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