Barrayar
einen Augenblick lang gerätselt, was der wachsame Blick zu bedeuten hatte, den er dabei auf Droushnakovi richtete, bis sie sich erinnerte, dass Drous Vater Soldat war. Kou hatte von seiner Schwester und seiner verwitweten Mutter erzählt, aber erst in diesem Augenblick war Cordelia bewusst geworden, dass Kou seinen Vater nicht aus irgendeinem Mangel an Liebe zwischen ihnen beiden aus seiner Erinnerung verdrängt hatte, sondern weil der Status seines Vaters ihm gesellschaftlich peinlich war. Koudelka hatte ein Veto dagegen eingelegt, einen Fleischtransporter als Transportmittel zu wählen: »Der wird eher von Vordarians Wachen angehalten«, erklärte er, »weil sie dann dem Fahrer Steaks abnehmen können.« Cordelia war sich nicht sicher, ob er aus Erfahrungen beim Militär oder im Lebensmittelhandel oder bei beiden sprach. Auf jeden Fall war sie dankbar, dass sie nicht mit grässlichen gekühlten Tierleichen reisen musste.
Sie kleideten sich für ihre Rollen, so gut sie konnten, indem sie die Sachen aus dem Ranzen und die Kleider, die sie bei der Abfahrt getragen hatten, untereinander verteilten. Bothari und Koudelka spielten zwei kürzlich entlassene Soldaten, die ihr bedauernswertes Los zu verbessern suchten, Cordelia und Drou zwei Frauen vom Land, die an den Plänen der Männer beteiligt waren.
Die Frauen trugen eine realistisch kuriose Mischung aus abgetragenen Kleidern aus den Bergen und abgelegtem Oberklassenoutfit, das anscheinend aus einem Secondhand-Shop stammte. Sie erreichten das passende Aussehen von Frauen in schlechtsitzenden Kleidern, indem sie ihre Kleidung tauschten.
Cordelia schloss erschöpft ihre Augen, obwohl sie nicht schlafen konnte. Die Zeit tickte in ihrem Gehirn. Sie hatten zwei Tage gebraucht, um so weit zu kommen. So nahe an ihrem Ziel, so weit weg vom Erfolg … Sie schlug die Augen wieder auf, als der Laster anhielt und auf dem Boden aufschlug. Bothari bewegte sich vorsichtig durch die Öffnung in die Fahrerzelle.
»Wir steigen hier aus«, rief er leise. Sie gingen hintereinander hindurch und sprangen am Straßenmarkt der Stadt ab. In der Kälte stieg ihr Atem wie Rauch auf. Es herrschte die Dunkelheit vor der Morgendämmerung, und es gab weniger Lichter in der Umgegend, als nach Cordelias Meinung eigentlich vorhanden sein sollten. Bothari winkte dem Transporter, weiterzufahren.
»Ich dachte, wir sollten nicht bis zur Zentralmarkthalle mitfahren«, knurrte Bothari. »Der Fahrer sagte, dass Vorbohns Stadtwachen dort massenweise rumstehen um diese Tageszeit, wenn die neuen Lieferungen eintreffen.«
»Erwartet man Unruhen wegen Lebensmittelknappheit?«, fragte Cordelia.
»Ohne Zweifel, außerdem wollen die ihren Nachschub als erste bekommen«, sagte Koudelka. »Vordarian muss bald die Armee aufbieten, bevor der Schwarzmarkt alle Lebensmittel aus dem Rationierungssystem absaugt.« In den Momenten, wo Kou vergaß, so zu tun, als sei er ein künstlicher Vor, zeigte er ein erstaunliche und detaillierte Kenntnis der Schwarzmarktwirtschaft. Oder wie hatte ein Lebensmittelhändler seinem Sohn die Erziehung erkauft, die ihm trotz heftigen Wettbewerbs den Eintritt in die Kaiserliche Militärakademie ermöglichte? Cordelia grinste vor sich hin und schaute die Straße hinauf und hinab. Es war ein altes Stadtviertel, aus der Zeit vor Einführung der Liftrohre, keine Gebäude, die mehr als sechs Treppen hoch waren. Alles schäbig: Wasser-, Strom- und sonstige Leitungen waren in die Architektur eingeschnitten, nachträglich hinzugefügt.
Bothari führte sie, er schien zu wissen, wohin er ging. In der Richtung, in der sie gingen, wurde der Zustand der Häuser nicht besser. Die Straßen und Gassen wurden enger, hatten den feuchten Geruch des Verfalls, in den sich gelegentlich der nach Urin mischte. Die Lichter wurden weniger.
Drous Schultern sanken zusammen. Koudelka packte seinen Stockdegen.
Bothari hielt vor einem engen, schlecht beleuchteten Eingang, auf dem ein handgeschriebenes Schild Zimmer versprach. »Das reicht.« Die Tür, eine alte, nichtautomatische mit Türangeln, war verschlossen. Er rüttelte daran, dann klopfte er. Nach einer Weile öffnete sich eine kleine Tür in der Tür und misstrauische Augen schauten heraus.
»Was willste denn?«
»Zimmer.«
»Um diese Zeit? Das glaubste wohl selbst nich.«
Bothari zog Drou nach vorn. Der Streifen Licht aus der Öffnung fiel auf ihr Gesicht.
»Aha«, knurrte die von der Tür gedämpfte Stimme. »Na dann …« Ketten klirrten, Metall
Weitere Kostenlose Bücher