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Barrayar

Barrayar

Titel: Barrayar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Jahrhundert alte Eiche Schatten spendete. »Die Leute hier sind jetzt alle gute Zuhörer. Und sie tratschen keinen Klatsch weiter.«
    Cordelia setzte sich auf den warmen Stein und musterte Bothari. Er saß so weit entfernt von ihr, wie es die Bank gerade zuließ. Die Furchen in seinem Gesicht wirkten heute tief und schroff, obwohl das Licht des Nachmittags durch den warmen Herbstdunst gemildert wurde. Eine Hand klammerte sich um die raue Steinkante der Bank und spannte immer wieder ihre Muskeln. Er atmete zu bedacht.
    Cordelia dämpfte ihre Stimme: »Also, was ist los, Sergeant? Sie sehen heute ein bisschen … angespannt aus. Ist etwas mit Elena?«
    Er gab ein freudloses Lachen von sich. »Angespannt. Ja, ich schätze, so kann man sagen. Es geht nicht um das Baby … es geht … nun ja, nicht direkt.« Er blickte ihr direkt in die Augen, zum ersten Mal an diesem Tag.
    »Sie erinnern sich an Escobar, Mylady. Sie waren dort. Richtig?«
    »Richtig.« Dieser Mann leidet Qualen, erkannte Cordelia. Welche Qualen?
    »Ich kann mich nicht an Escobar erinnern.«
    »Das habe ich gehört. Ich glaube, Ihre Armeetherapeuten haben sich große Mühe gegeben, um sicherzustellen, dass Sie sich nicht an Escobar erinnern.«
    »O ja.«
    »Ich billige die barrayaranischen Vorstellungen von Therapie nicht, besonders, wenn sie von politischen Zwecküberlegungen beeinflusst sind.«
    »Zu dieser Erkenntnis bin ich gekommen, Mylady.« In seinen Augen glimmte eine vorsichtige Hoffnung auf.
    »Wie haben sie es gemacht? Haben sie ausgewählte Neuronen ausgebrannt? Oder war es chemische Löschung?«
    »Nein … sie haben Drogen verwendet, aber nichts wurde zerstört. So sagt man mir. Die Ärzte nannten es Suppressionstherapie. Wir nannten es einfach die Hölle. Jeden Tag gingen wir in die Hölle, bis wir nicht mehr dorthin gehen wollten.« Bothari rutschte auf seinem Sitz hin und her und runzelte die Stirn. »Wenn ich versuche, mich zu erinnern – überhaupt über Escobar zu sprechen –, so verursacht mir das Kopfschmerzen. Klingt dumm, nicht wahr. Ein großes Mannsbild wie ich winselt über Kopfschmerzen wie ein altes Weib. Bestimmte besondere Teile, Erinnerungen, verursachen mir diese wirklich schlimmen Kopfschmerzen, ich sehe dann rote Ringe um alles und fange an, mich zu übergeben. Wenn ich aufhöre, darüber nachzudenken, dann lassen die Schmerzen nach. Ganz einfach.«
    Cordelia schluckte. »Ich verstehe. Es tut mir leid. Ich wusste, dass es schlimm war, aber ich wusste nicht, dass es … so schlimm war.«
    »Das Schlimmste davon sind die Träume. Ich träume … davon und wenn ich zu langsam aufwache, dann erinnere ich mich an den Traum. Ich erinnere mich dann an zuviel auf einmal, und mein Kopf – alles, was ich dann tun kann, ist mich auf die andere Seite zu rollen und zu weinen, bis ich anfangen kann, von etwas anderem zu denken. Graf Piotrs andere Leute – sie denken, ich sei verrückt, sie denken, ich sei dumm, sie wissen nicht, was ich da drinnen mit ihnen mache. Ich weiß nicht, was ich da drinnen mit ihnen mache.« Er rieb seine großen Hände in einer gequälten Bewegung über die kurzgeschorenen Haare auf seinem Schädel. »Der vereidigte Gefolgsmann eines Grafen zu sein – das ist eine Ehre. Es gibt dafür nur zwanzig Posten. Sie nehmen die Besten, sie nehmen die tollen Helden, die Männer mit Tapferkeitsmedaillen, die Männer mit zwanzig Jahren Dienst und vollkommenem Leumund. Wenn das, was ich getan habe – in Escobar –, so schlimm war, warum hat dann der Admiral den Grafen veranlasst, mir einen Posten zu geben? Und wenn ich ein so toller Held war, warum haben sie mir dann meine Erinnerung daran genommen?« Sein Atem ging jetzt schneller, er pfiff durch seine langen gelben Zähne.
    »Wie weh tut Ihnen das jetzt? Wenn Sie versuchen, darüber zu sprechen?«
    »Ziemlich. Und es wird noch schlimmer werden.« Er schaute sie an, mit tiefen Falten auf der Stirn. »Ich muss darüber sprechen. Mit Ihnen. Es macht mich sonst … «
    Sie atmete bewusst ruhig und versuchte, mit ihrem ganzen Geist, ihrem ganzen Leib und ihrer ganzen Seele zuzuhören. Und achtsam. Ganz achtsam. »Fahren Sie fort.«
    »Ich habe … vier Bilder … in meinem Kopf, von Escobar. Vier Bilder, und ich kann sie nicht erklären. Mir selbst. Ein paar Minuten, von – drei Monaten? Oder vier? Sie alle quälen mich, aber eines quält mich am meisten. Darin kommen Sie vor«, fügte er abrupt hinzu und starrte auf den Boden. Beide Hände umklammerten jetzt die

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