Barry Trotter und die schamlose Parodie
— möchten Sie einen Kaffee?«
»Nein danke«, sagte Barry.
Die Pressetante bemerkte, dass Lon ein Plüschtier auf ihrem Schreibtisch beäugte. »Gefällt er Ihnen?« fragte sie. Er nickte, und sie warf ihm das Tier zu. »Behalten Sie ihn. Das ist unser Maskottchen, Randy, der lustige Rottweiler.«
Während die meisten Männer an dem rauhen Klima, das in den höheren Sphären der Geschäftswelt herrscht, schlicht zerbrechen, werden Frauen nur abgehärtet, besonders die ehrgeizigen und fähigen werden hart wie Stahl. Alles, was an ihrer Persönlichkeit entbehrlich war, hatte Thompson vor langer, langer Zeit abgelegt. Freundlichkeit war für sie eine lästige Notwendigkeit wie das Tragen einer Strumpfhose.
Thompson erzählte ihnen von der glanzvollen Vergangenheit des Verlages: Er war 1903 aus einem Newsletter für halbwüchsige Luftgewehrfans namens >Peng< hervorgegangen, »und heute hat er alle übrigen Kinderbuchverlage unter seine Fittiche genommen«. Unter seine Fittiche genommen? dachte Hermeline. Sie konnte sich das nicht recht vorstellen — wenn diese Frau einen in den Arm nehmen würde, dann würde das Blut spritzen. Und doch: Sie hatte sogar Kinder, der Beweis stand direkt vor ihr auf dem Schreibtisch. Sie wirkten unversehrt. Wahrscheinlich zog sie sich eine Art Schoner über, bevor sie nach Hause ging.
»... Aber genug geschwatzt«, sagte Thompson und schob mit einer raschen Bewegung ihre Brille hoch. »Was kann Fantastic für Sie tun?«
Barry und Hermeline begannen gleichzeitig zu sprechen. Um des lieben Friedens willen ließ Barry Hermeline den Vortritt.
»Also, Mrs. Thompson, wir suchen J. G. Rollins, und zwar aus verschiedenen Gründen. Wir müssen dringend mit ihr sprechen.«
»Sie ist eine sehr beschäftigte Frau, Ms. -... äh ...«
»Cringer.«
»Ms. Cringer. Wie konnte ich das vergessen, wo ich doch alle Bücher gelesen habe?« log sie, denn ihre Lektüre beschränkte sich auf trashige Anwaltskrimis. »Ms. Rollins braucht ihre Ruhe, um zu schreiben, und obwohl wir Ihnen dreien gern helfen würden, sind wir zuallererst unserer Starautorin verpflichtet. Das werden Sie sicher verstehen.«
»Aber wir müssen mit ihr sprechen. Wenn nicht, wird Hogwash womöglich ...«
Sie braucht nicht mehr zu wissen als nötig, dachte Barry und platzte dazwischen. »Sehen Sie, Mrs. Thompson, wir müssen J. G., die ich schon oft getroffen habe — wir sind befreundet —, ja, also wir müssen sie sprechen und sie davon überzeugen, dass sie den >Barry Trotter<-Film verhindern muss.« Hoppla, dachte Barry.
Thompson war ernstlich schockiert. Sie wurde blass — doch dann lachte sie. »Ach, mein lieber Barry Trotter. Da ich Ihre Bücher gelesen habe, weiß ich, dass Sie einen gern mal auf den Arm nehmen!«
»Ich meine es ernst. Wir sind nicht zum Spaß hier«, sagte Barry. »Wenn ich J. G. nicht finde, werde ich alles tun, was in meiner Macht steht, um den Film zu stoppen. Ich lass mich verhaften oder weise mich selbst in eine Drogenklinik ein. Hermeline wird einen Politiker verführen ... und Lon, nun ja, er wird jemanden beißen. Was ich damit sagen will: Wir werden dem Film eine so gnadenlos schlechte Publicity bescheren, dass er nur ein Flop werden kann. Und die Buchreihe werden Sie dann auch einstellen müssen.«
»Die Buchreihe einstellen? Gott behüte. Warum sollten wir das wohl tun?« Thompson lächelte eisig. »Barry, wenn Sie nur halb so intelligent sind wie Ihr fiktives Alter ego, dann wissen Sie ganz genau, dass Sie J. G. nicht daran hindern können, Bücher zu schreiben. Sie hat das Recht, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Und solange es Bücher gibt, wird es auch Filme geben«, sagte Thompson. »Wenn der Film eine vor Obszönitäten strotzende Parodie oder so etwas wäre, dann könnten Sie ihn vielleicht verhindern. Aber so wie die Dinge stehen, ist die einzige Person, die die >Barry Trotter<-Merchandising-Maschinerie stoppen kann, J. G. selbst. Und das hat sie nicht vor, soviel kann ich Ihnen versichern. Dafür steht zuviel auf dem Spiel.«
Barry setzte an, ihr zu erzählen, was Nunnally ihm eröffnet hatte. Hermeline brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen; diesen Trumpf sollten sie sich bis zum letztmöglichen Moment aufsparen.
»Daher würde ich Ihnen empfehlen, sich abzuregen und die Aufmerksamkeit, die man Ihnen entgegenbringt, lieber zu genießen.« Das künstliche Lächeln kehrte zurück.
»Na ja, ich dachte, nach so vielen Bänden wäre J. G. es vielleicht langsam leid«,
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