Barry Trotter und die schamlose Parodie
sagte Hermeline.
»Ganz und gar nicht — sie liebt es, >Barry Trotter<-Bücher zu schreiben. Sie ist dazu berufen. Ja, ich glaube, dass die Reihe erst dann zum Ende kommen wird ...«, und jetzt wurde ihre Stimme hart, »wenn man ihr die Feder aus den kalten, toten Händen windet.« Hermeline spürte, wie die reichlich vorhandenen braunen Haare auf ihren Armen sich aufstellten.
Einen Moment lang herrschte Schweigen, und dann setzte sich die Unterhaltung mit derselben Zähflüssigkeit fort, mit der sie begonnen hatte. »Möchten Sie sich vielleicht einmal das Gebäude ansehen?«
»Klar!« sagte Lon, den es mittlerweile kaum noch auf dem Stuhl hielt.
»Also gut.« Die Gruppe verließ das Büro und stieg in den Fahrstuhl. Es folgten ungefähr zehn Stockwerke typisches Büroambiente: beigefarbene Teppichböden, durch Stellwände voneinander getrennte Arbeitsplätze, muffelige Angestellte, Neonlicht. Nur vereinzelte Akzente — in Primärfarben gestrichene Überputzleitungen, gerahmte Kinderzeichnungen — erinnerten daran, dass hier Kinderbücher verlegt und nicht etwa PCs oder Tampons produziert wurden.
Ganz anders sah es lediglich in dem Stockwerk aus, in dem die Zeitschriften gemacht wurden: Es wimmelte von Menschen, die ihre anarchistische Grundhaltung nur mühsam unter einem Deckmantel der Angepasstheit verbargen, der anständigen Krankenversicherung wegen. Innerhalb von fünf Minuten wurden Barry, Lon und Hermeline einer Frau, die experimentelle Skulpturen aus Götterspeise herstellte, einem Musiker, der Sinfonien für Fische komponierte, und nicht weniger als sieben Stand-up-Comedians in spe vorgestellt. Als sie durch die Grafik gingen, sah Lon einen weiteren Randy auf dem Schreibtisch eines Mitarbeiters. Nur an diesen hatte irgendein Spaßvogel einen pinkfarbenen erigierten Penis drangebastelt. »Das ist mein Randy, der geile Rottweiler«, raunte der Mitarbeiter verschwörerisch. Lon wurde rot und kicherte.
»Sie sind aber ein ganz Schlimmer«, sagte er.
Als sie mit dem Aufzug hinunter zum Empfang fuhren, fiel Barry ein Knopf auf, an dem unverkennbar >Folterkammer< stand. »Was ist das denn?« fragte er.
Thompson zögerte und sagte dann: »Ach, so nennen unsere Mitarbeiter das Fitnessstudio im Keller. Wir sind hier alle sehr kreativ, aber auch ein bisschen verrückt.«
Zwei gesichtslose Herren in identischen Nadelstreifenanzügen stiegen ein. Sofort überlief Barry eine eisige Kälte; es begann in seiner Brust und breitete sich von dort in alle Glieder aus, als sei sein Herz zu Eis geworden. Die Welt begann sich zu drehen, und ihm wurde schwarz vor Augen.
»Ich ...«, stammelte Barry, dann brach er zusammen.
»O mein Gott, Barry! Lon, hilf mir.« Hermeline richtete Barry auf.
»Was ist denn los?« fragte Thompson. Hermeline glaubte, den Anflug eines Lächelns auf ihrem Gesicht zu entdecken. Die Anzugtypen mit den ausdruckslosen Gesichtern sahen den leise aufstöhnenden Barry unbewegt an.
»Wir müssen ihn hier rausbringen!«
Genau in dem Moment gingen die Türen auf, und Lon und Hermeline trugen Barry aus dem Aufzug. Sie legten ihn auf den Teppichboden, und Hermeline kniff ihn in die leichenblassen Wangen. Thompson stieg ebenfalls aus der Kabine, und die Tür ging zu. Sofort kam wieder Leben in Barry.
»Tut mir leid«, sagte Thompson. »Ich hatte keine Ahnung, dass er so empfindlich auf unsere Marketoren reagieren würde.«
Hermeline platzte fast vor Wut. »Diese seelenlosen Blutsauger hätten ihn umbringen können!«
Die Pressefrau versuchte sie zu beruhigen. »Ich verstehe, Ms. ... äh ...«
»Cringer!« schnauzte Hermeline.
»... Cringer, aber sie sind eine bedauernswerte Notwendigkeit. Fantastic muss sich und seine Produkte vermarkten wie jede andere Firma auch.« Lon knurrte sie an.
»Ah, Barry kommt wieder zu sich«, sagte sie.
Barry richtete sich auf. »Was ist passiert?«
»Ich fürchte, Sie sind zwei Mitarbeitern unserer Marketingabteilung begegnet, Barry. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie so heftig auf sie reagieren würden.«
»Ich bin eine Marke«, murmelte Barry. »Sie zehren von meiner Identität.«
»Tja ... es tut mir wirklich sehr leid, Barry. Hören Sie, wir geben heute abend eine kleine Party zur Feier des milliardsten verkauften >Barry Trotter<-Buchs. Sie findet in einem Club ganz in der Nähe statt, im >Chez Spirochäte«. Es wäre uns allen eine große Ehre, wenn Sie kommen könnten.«
»Kommt J. G. auch?« fragte Hermeline.
»O nein«, sagte Thompson mit einem
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