Barry Trotter und die ueberfluessige Fortsetzung
erwachsen werden und anfangen zu zaubern. Gegen Tagträume ist ja nichts zu sagen, solange man ein kleiner Junge ist. Aber mit elf wird es langsam Zeit, in der Zauberwelt zu leben.« Lon galoppierte wieder vorbei, diesmal in die andere Richtung. »He, Lon, warte ...«
Ein Krachen ertönte, gefolgt von Fluchen, Bellen und Johlen. Lon hatte einen Erfrischungswagen umgekippt.
Nigel hasste es, wenn sein Vater über ihn redete, als sei er gar nicht da. Schlimmer noch: Was er gesagt hatte, fachte seine Angst nur noch mehr an. Nigel hatte versucht, sie im Zaum zu halten, aber jetzt war sie ein loderndes Feuer, das jegliche Zuversicht verzehrte.
Nun saßen nur noch Nigel und seine Mutter im Abteil. Während der Zug vorwärtsschlingerte und sein Vater auf der Jagd nach Lon hin und her rannte, verspürte Nigel ein Kitzeln in der Kehle. Er hustete. »Ich glaube, ich habe den Schwarzen Kot«, sagte er zu seiner Mutter. »Wenn ich den Schwarzen Kot hab’, muss ich dann trotzdem noch fahren?«
»Das heißt Schwarzer Tod , Lämmchen«, sagte Hermeline, »und den hast du nicht.«
Niedergeschlagen schaute Nigel eine Weile aus dem Fenster. »Warum muss ich eigentlich zaubern können?« fragte er. »Wieso kann ich nicht einfach auf eine normale Schule mit normalen Kindern gehen? Ich bin nicht wie du und Dad — aus mir wird nie ein großer Zauberer.«
»Keine Angst, Nigel«, sagte sie. »Was einen zu einer großen Persönlichkeit macht, ist ein bisschen Glück oder eine besondere Begabung, von der man selbst gar nichts weiß, bis man eines Tages Gebrauch von ihr macht. Nicht jeder kann eine große Persönlichkeit werden, aber jeder kann ein guter Mensch sein, und das ist schließlich genauso wichtig. Du wirst das schon machen, da bin ich sicher.«
Aber insgeheim hatte auch Hermeline Angst. Das Leben in Hogwash war nicht einfach, und Kinder konnten furchtbar grausam sein. Was sollte nur aus ihrem süßen, cleveren, magisch gänzlich unbegabten Sohn werden?
Kapitel vier
Auftritt: Die Niete
Vom Tag seiner Geburt an hatte Nigel Trotter nicht ein Fünkchen Zauberkraft im Leib. Er konnte weder etwas heraufbeschwören noch jemanden verfluchen, beherrschte weder Taschenspielertricks noch die Kunst der Levitation. Nigel konnte nicht hellsehen - er besaß noch nicht mal einen guten Orientierungssinn. Seine völlige Unfähigkeit, sich mit irgendeinem Mitglied des Tierreichs zu unterhalten, machte die Ausflüge in den Zoo, die sein Dad mit ihm unternahm, zur Qual. Er war, um es ganz unverblümt zu sagen, eine Niete.
Es war Nigel nur allzu bewusst, was für eine furchtbare Enttäuschung er war, und dies hatte unter anderem damit zu tun, dass er bis auf das Fragerufzeichen seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war. Natürlich machten seine Eltern sich Sorgen. Sein Dad gab den Muddelgenen seiner Mutter die Schuld. Seine Mutter unterstellte seinem Dad, er habe zu oft ohne schützende Bleiunterwäsche gezaubert. Körperlich war Nigel völlig gesund. War es ein Fluch? War es psychosomatisch? Nach zehn Jahren in den Händen der besten (und ein paar der schlechtesten) Ärzte, nach zahllosen schmerzhaften Untersuchungen sowie nach einer breiten Palette von Therapien und Medikamenten, die so zahlreich wie nutzlos waren, wusste immer noch niemand genau, wieso Nigel nicht zaubern konnte. Seine kleine Schwester konnte es, und zwar unerhört gut. Kein Morgen verging, ohne dass Fiona ein Warzenschwein oder etwas ähnlich Verheerendes herbeizauberte. Aber seine Eltern bestraften sie nie.
»Mum, Fi lässt Ringelnattern in mein Bett kacken«, hatte Nigel sich erst kürzlich beschwert.
»Ganich!« hatte Fiona mit trotzigem Blick gesagt und Nigels Hemd dabei ein bisschen angekokelt.
»Hör auf, Fiona«, sagte Hermeline und führte einen Streifen rohen Speck durch eine blaue Flamme, die wabernd in der Luft hing.
»Musst du eigentlich immer dieses schwebende Methangas benutzen, Mum?« sagte Nigel. »Der Speck schmeckt davon immer so nach Furz.« Hermeline kochte so, als hätte sie eine Stinkwut auf die Zutaten. Selbst bei idiotensicheren Zaubern von Nutella Larsson oder Mothra Stuart kam nur eine undefinierbare Pampe heraus, bei der man nicht einmal sicher sein konnte, dass sie überhaupt organischen Ursprungs war. Barry hatte sich darauf verlegt, Essen vom Lieferservice als »andere Maßnahmen« zu bezeichnen, wie in: »Schatz, ich glaube, es ist Zeit, dass wir andere Maßnahmen ergreifen.«
Fiona ließ den Küchentisch mit seinen Klappen
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