Barry Trotter und die ueberfluessige Fortsetzung
eine Verletzung der Menschenrechte darstellte, waren die Wände in ihrem Büro mit Fotos von Schwester Pommefritte und den führenden Köpfen der Zauberwelt tapeziert, die sie alle behandelt hatte. Und die, wie Barry feststellte, alle einen furchtbaren Preis dafür gezahlt hatten.
»Ich wusste gar nicht, dass Cornelius Grunge Fledermausflügel anstelle von Ohren hat«, sagte Barry.
»Tja«, sagte Hermeline. »Deshalb hat er sich doch die Haare lang wachsen lassen. Du weißt schon, der >Grunge-Look<.«
»Ich dachte, er wäre bloß modebewusst. Kann er fliegen?«
»Es reicht, um ein paar Zentimeter vom Boden abzuheben«, sagte Hermeline. »Aber sie dienen hauptsächlich der Zierde. Sonst würde das Ministerium ihn zwingen, den Pilotenschein zu machen.«
Hermeline entdeckte ein Foto von Barrys Patenonkel Serious, auf dem er da, wo vorher seine Finger waren, vier Fortsätze trug, die einem Schweizer Armeemesser ähnelten: einen Korkenzieher, eine Nagelfeile, ein ausziehbares Maßband für Angler ... Er hatte das Nötigste gewissermaßen immer zur Hand. »Hast du Serious in letzter Zeit mal gesehen?« fragte Hermeline. »Was ist denn mit seinen Fingern passiert?«
»Ein paar Freunde von Lord Valumart wollten bei ihm Schulden eintreiben«, sagte Barry. »Soweit ich weiß, versucht er immer noch, den Muddeln seinen >KüchenFee<-Kram anzudrehen.« Dabei handelte es sich um eine Art verzauberte Moulinex, die im TV-Nachtprogramm beworben wurde. Sie war ziemlich nützlich, hatte aber einen fatalen Hang dazu, durchzudrehen und ihre Besitzer niederzumetzeln, und es gelang Serious nicht immer, das Unglück mit Witzen, Ausreden oder Erklärungen vergessen zu machen. Statt dessen bot er eine »lebenslange Garantie«, ohne darauf hinzuweisen, dass diese sich auf das Leben des Käufers und nicht das der KüchenFee bezog. In der Zauberwelt gab es den Begriff der »fahrlässigen Tötung« nun mal nicht. Davon profitierte auch Schwester Pommefritte.
»Guten Morgen!« sagte die Schwester gutgelaunt, als sie eintrat. Barry stopfte hastig die Broschüre über Gonokadabra, in der er gerade gelesen hatte, in die Tasche. Offenbar war man gesund, solange der Hosenelf noch da war.
»Legen Sie sich bitte auf die Liege, Herr Direktor.« Barry gehorchte. »Der Job hat Sie also schon geschafft?« fragte sie schroff. »Machen Sie den Mund auf.« Während sie ihm in den Hals schaute, fragte sie: »Sind Sie schwanger?«
Barry blieb die Spucke weg. »Nein, ich bin ein ...«
»Sie sind ein Zauberer, und der Körper eines Zauberers ist so verdreht wie sein Kopf«, sagte die Schwester. Das alte Mädchen war offensichtlich nicht zum Scherzen aufgelegt. »Merkwürdige Essgelüste? Dunklere Brustwarzen als sonst?«
»Ich hab ehrlich gesagt noch nicht nachgesehen.« Barry warf Hermeline einen Blick zu. »Schatz?«
»Lass mich da raus«, sagte seine Frau lächelnd. »Ich hab’ genug zu tun, auch ohne den Zustand deiner Nippel im Auge zu behalten. Ich geh’ mal raus und les’ ein bisschen.«
»Aber du hast doch gesagt, du würdest ...« Weg war sie.
Pommefritte fuhr fort, an Barry herumzukneten und -zuknuffen. »Wie ist es mit morgendlicher Übelkeit?«
»Was meinen Sie damit?« fragte Barry.
»Müssen Sie sich morgens übergeben?« fragte sie.
»Ja, gestern«, sagte Barry.
»Aha!« sagte Schwester Pommefritte.
»Aber in letzter Zeit hab’ ich das eigentlich ziemlich oft ...«
»Herr Direktor, Sie müssen mich wirklich meine Arbeit machen lassen.« Es klopfte an der Tür. »Ja?«
Eine hübsche junge Sprechstundenhilfe steckte ihren Lockenkopf zur Tür herein. »Morgen, Herr Direktor. Schwester Pommefritte, Cyril Broadbottom sagt, er habe einen Hoden verloren.«
»Cyril? Der muss doch inzwischen vierzig sein!« rief Barry aus.
»Es ist sein Neffe«, sagte die Schwester, und Barry war insgeheim erleichtert. Sein Rekord war ungebrochen.
»Ich komme gleich«, sagte Schwester Pommefritte zu dem Mädchen. »Warten Sie draußen.«
Barry, der Blut und Wasser schwitzte, dass es bei der Diagnose Schwangerschaft bleiben würde, begann eindringlich seine Symptome zu schildern. Er war entschlossen, sich Gehör zu verschaffen. »... und als ich heute morgen aufgewacht bin«, sagte er, »war meine gesamte Gesichtsbehaarung futsch.«
Schwester Pommefritte nahm ein verrostetes Skalpell von der Wand und begann es zu befingern. Zu Barrys Glück war das jedoch nur eine nervöse Angewohnheit.
»Hmm. Sie scheinen an einer Art Infantilismus zu leiden«,
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