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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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schlurfen. Er hätte mindestens eine Woche gebraucht, den betreffenden Baum zu erreichen. Ein Blinder mit Krückstock hätte ihn spielend eingeholt, ganz zu schweigen von einem mordlustigen Dschinn. Ich drehte mich um. Noch sah ich keine weiteren Verfolger in dem Loch im Dach erscheinen – nur die Flammen fauchten gen Himmel. Kurzerhand nahm ich meine letzte Kraft zusammen und warf mir den Jungen über die Schulter. So rannte ich über das Dach.
    Ungefähr vier Dächer weiter waren wir mit dem Baum, einer Fichte, auf gleicher Höhe. Ihre ausladendsten Äste waren nur ein paar Meter entfernt. An sich kein Problem, aber erst mal brauchte ich eine kleine Verschnaufpause. Ich ließ den Jungen fallen und drehte mich vorsichtshalber noch einmal um. Nichts. Offenbar hatte Jabor Probleme. Ich malte mir aus, wie er im Keller unter tonnenweise glühendem Schutt begraben lag und verzweifelt um sich schlug…
    Da rührte sich etwas in den Flammen. Abmarsch!
    Ich gab dem Jungen keine Gelegenheit, in Panik zu geraten, packte ihn wieder um die Taille, schlitterte die Dachschräge hinunter und sprang. Er gab keinen Laut von sich, als wir im orangefarbenen Feuerschein durch die Luft segelten. Ich schlug wie verrückt mit den Flügeln, und wir landeten mit knapper Not auf der ächzenden, sich biegenden und tückisch pieksenden Fichte.
    Damit wir nicht herunterfielen, schlang ich den freien Arm um den Stamm. Der Junge stützte sich Halt suchend auf einen Ast. Ich drehte mich nach Underwoods Haus um. Vor der Flammenkulisse bewegte sich eine dunkle Silhouette.
    Ich lockerte meinen Griff und glitt mit meiner Last am Stamm herunter. Die Rinde löste sich unter meinen Klauen und schließlich landeten wir im feuchten Gras.
    Ich stellte den Jungen wieder auf die Füße. »Ab jetzt keinen Mucks mehr!«, flüsterte ich. »Und immer unter den Bäumen bleiben.«
    So schlichen wir uns davon, mein Herr und ich, tappten durch den dunklen, triefnassen Garten. Auf der Straße jaulten die Feuerwehrsirenen heran, und wieder stürzte ein dicker Balken in die lodernde Ruine, die das Haus seines Meisters gewesen war.
     

Teil Drei - Nathanael
31
    Hinter der zerbrochenen Fensterscheibe wurde es hell. Der Dauerregen, der bei Tagesanbruch eingesetzt hatte, war nur noch ein leises Tröpfeln. Nathanael nieste.
    London erwachte. Unten auf der Straße waren die ersten Verkehrsgeräusche zu vernehmen. Schmutzbespritzte rote Busse mit brummenden Motoren beförderten die ersten Pendler in die Innenstadt, ein paar vereinzelte Autos hupten jeden an, der die Straße überquerte, und auch ein paar Fahrräder mit tief über die Lenkstangen gebeugten Gestalten in schweren Regencapes waren unterwegs.
    Die Läden auf der gegenüberliegenden Straßenseite öffneten einer nach dem anderen. Die Besitzer traten auf den Gehsteig hinaus und schoben rasselnd die Schutzgitter vor Türen und Fenstern hoch. Die Schaufenster wurden bestückt. Der Schlachter klatschte rosige Fleischstücke in seine Auslage, der Tabakhändler hängte ein Zeitschriftengestell über seinen Ladentisch. Die Öfen der Bäckerei nebenan arbeiteten schon seit Stunden auf Hochtouren. Der warme Duft von frischem Brot und glasierten Krapfen zog über die Straße und kitzelte den in seinem leeren Zimmer frierenden, hungrigen Nathanael in der Nase.
    In einer Seitenstraße wurden Marktstände aufgebaut. Rufe erschollen, manche fröhlich, manche rau und kehlig. Junge Männer karrten rollende Metallbehälter und Leiterwagen heran, auf denen sich Gemüse türmte. Ein Polizeiauto fuhr auf der Straße nach Norden, bremste ab, als es am Markt vorbeikam, gab dann großspurig Gas und brauste davon.
    Die Sonne hing tief über den Dächern, eine bleiche, dottergelbe, dunstverschleierte Scheibe.
    An jedem anderen Morgen hätte Mrs Underwood jetzt Frühstück gemacht.
    Nathanael sah sie vor sich: klein, geschäftig, gut gelaunt, wie sie energisch mit Töpfen und Pfannen hantierte, Tomaten schnitt, Brot-scheiben in den Toaster schob… Und darauf wartete, dass er die Treppe herunterkam.
    So wäre es an jedem anderen Morgen gewesen. Doch jetzt gab es die Küche nicht mehr. Das ganze Haus gab es nicht mehr. Und Mrs Underwood… Mrs Underwood war…
    Nathanael verzog das Gesicht, als hätte sich eine wahre Flutwelle von Gefühlen in ihm angestaut, die sich endlich ihren Weg bahnen wollte. Am liebsten hätte er geweint. Doch seine Augen blieben trocken und die Erleichterung blieb aus. Ohne etwas zu sehen und ohne die beißende

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