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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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nie jemand ernsthaft versucht, ihn umzubringen. Mir dagegen waren im Lauf der Jahrhunderte gewisse Reflexe in Fleisch und Blut übergegangen. Im Nu war ich wieder auf den Beinen, polterte das steile Ziegeldach hoch und schleifte den Jungen mit.
    Ich strebte den nächsten Schornstein an, warf den Jungen dahinter und drehte mich um. Das Feuer verrichtete sein Werk: Die Ziegel zerbarsten und in den Ritzen dazwischen züngelten niedrige Flämmchen.
    An der Dachluke bewegte sich etwas. Ein riesiger schwarzer Vogel flatterte aus dem Flammenmeer, ließ sich auf dem Dachfirst nieder und wechselte die Gestalt. Jabor sah sich nach allen Seiten um. Ich duckte mich hinter den Schornstein und riskierte einen kurzen Blick zum Himmel.
    Von Lovelace’ anderen Sklaven keine Spur, weder Dschinn noch Suchkugeln. Vielleicht benötigte er sie jetzt, da er sein Amulett wiederhatte, nicht mehr und verließ sich ganz auf Jabor.
    Ein Haus reihte sich ans andere, sodass sich uns ein prachtvoller Fluchtweg über die Dächer bot. Links ragten sie wie eine schwarze Steilwand über der von Laternen beschienenen Straße auf. Rechts blickte man über einen dunklen Dschungel aus verwilderten Gärten. Weiter vorn reichten die Äste eines ausladenden Baumes bis an das dazugehörige Haus. Da war vielleicht etwas zu machen.
    Doch der Junge bewegte sich immer noch wie in Trance, und ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass er mithielt, wenn ich richtig Gas gab. Nach ein paar Metern hätte uns Jabor mit einer Detonation in tausend Stücke zerfetzt.
    Ich riskierte ein Auge um die Schornsteinecke. Jabor schlich mit gesenktem Kopf schnüffelnd in unsere Richtung. Er witterte unsere Fährte, und es war nur eine Frage der Zeit, bis er unser Versteck erriet und den Schornstein pulverisierte. Allerhöchste Eisenbahn, sich einen brillanten, wasserdichten Plan einfallen zu lassen.
    Da mir das nicht gelingen wollte, musste ich improvisieren.
    Ich ließ den Jungen einfach liegen und erhob mich in Wasserspeiergestalt in die Lüfte. Jabor sah mich sofort. Als er feuerte, legte ich kurz die Flügel an und ließ mich fallen. Die Detonation schoss über meinen Kopf hinweg, pfiff in hohem Bogen über das Dach und verpuffte, ohne größeren Schaden anzurichten, 84
(Jedenfalls was mich betraf. Und darauf kommt es schließlich an)
irgendwo auf der Straße. Ich schlug wieder mit den Schwingen und steuerte im Segelflug auf Jabor zu, wobei ich die kleinen Flammenherde im Auge behielt, die seine Zehen umspielten, die Ziegel platzen ließen und sich vom Dachstuhl darunter nährten.
    Ich hob unterwürfig die Tatzen. »Können wir nicht noch mal drüber reden? Dein Herr will den Jungen doch bestimmt lebendig haben.«
    Jabor war noch nie ein großer Plauderer gewesen. Sein nächster Beinahe-Treffer hätte unsere Unterhaltung um ein Haar für immer beendet. Ich schwirrte im Kreis um ihn herum, damit er möglichst am selben Fleck stehen blieb. Bei jedem seiner Schüsse wurde der Dachstuhl dort, wo er stand, erschüttert, jedes Mal bebte das Haus ein bisschen heftiger. Doch mir ging allmählich die Luft aus – meine Ausweichmanöver wurden immer unbeholfener. Ein Streifschuss stutzte mir den Flügel und ich trudelte auf die Ziegel.
    Jabor trat vor.
    Jetzt feuerte ich. Es war ein kraftloser Schuss und zu kurz gezielt, völlig ungeeignet, einen Jabor aufzuhalten. Die Explosion traf die Ziegel zu seinen Füßen, doch Jabor wich nicht mal zurück, sondern lachte siegesgewiss…
    …und verstummte abrupt, als das Dach unter ihm zusammenbrach. Der Firstbalken, der sich längs über den ganzen Dachstuhl zog, knickte in der Mitte durch, die Sparren hatten keinen Halt mehr, gleich darauf stürzten Holz und Putz und ein Ziegel nach dem anderen in die Flammenhölle und rissen Jabor mit. Es muss ein tiefer Sturz gewesen sein, durch vier brennende Stockwerke bis in den Keller, wobei ein Großteil des Hauses über ihm zusammenbrach.
    Flammen loderten aus der Öffnung – in meinen Ohren klang ihr Prasseln so lieblich wie donnernder Applaus. Ich griff nach dem Rand des Schornsteins und schwang mich um ihn herum.
    Der Junge hockte immer noch da und starrte mit leerem Blick in die Nacht.
    »Das verschafft uns einen kleinen Aufschub«, erklärte ich, »aber wir haben trotzdem keine Zeit zu verlieren. Steh auf.«
    Vielleicht lag es an meinem freundlichen Ton, jedenfalls kam er einigermaßen rasch auf die Beine – um anschließend mit dem Tempo und der Anmut eines Zombies über die Ziegel zu

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