Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
Seine Augenbrauen schoben sich himmelwärts. »Dreh dich mal um«, sagte er.
    Nathanael drehte sich um. Hinter der Tür stand noch ein Regal. Es reichte bis zur Decke und quoll von hunderten Büchern über, eins dicker und verstaubter als das andere, jene Art Bücher, von denen man schon ahnt, bevor man sie aufgeschlagen hat, dass sie zweispaltig und in winziger Schrift gedruckt sind. Nathanael schluckte hörbar.
    »Wenn du hiermit durch bist«, sagte sein Meister trocken, »kommst du der Sache vielleicht irgendwann näher. In diesem Regal findest du die Rituale und Formeln, die man braucht, um bedeutende Dämonen zu beschwören. Aber damit fangen wir frühestens in vier, fünf Jahren an, also schlag es dir gleich wieder aus dem Kopf. Dein Regal«– er klopfte abermals auf das niedrige Möbel –»versorgt dich mit dem nötigen Vorwissen und ist fürs Erste mehr als ausreichend.«
    Als Nächstes gingen sie in einen Raum, den Nathanael noch nie betreten hatte. Unzählige mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten gefüllte Flaschen und Fläschchen standen in fleckigen, staubigen Regalen. In manchen Flaschen schwamm etwas. Nathanael wusste nicht, ob es an dem dicken, gewölbten Glas lag, dass der Inhalt so merkwürdig verformt aussah.
    Sein Meister nahm auf einem Hocker an dem einfachen Holztisch Platz und bedeutete Nathanael, sich neben ihn zu setzen. Er schob ihm ein schmales Etui zu. Nathanael klappte es auf. Eine kleine Brille lag darin. Eine dumpfe Erinnerung beschlich ihn und es lief ihm kalt über den Rücken.
    »Nimm sie heraus, Junge, sie beißt dich schon nicht. Gut so. Und jetzt sieh mich an. Schau mir in die Augen. Was siehst du?«
    Widerstrebend hob Nathanael den Kopf. Es fiel ihm schwer, den durchdringenden Blick der braunen Augen des alten Mannes auszuhalten, und er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er sah nichts.
    »Nun?«
    »Ähm, ähm… tut mir Leid, aber ich kann…«
    »Schau auf meine Iris – fällt dir nichts auf?«
    »Ähm…«
    »Bist du blind?«, rief der Zauberer ärgerlich, zog ein Augenlid herunter und entblößte die rote Unterseite seines Augapfels. »Siehst du wirklich nichts? Eine Linse, Junge! Eine Kontaktlinse! Über der Iris! Siehst du sie jetzt?«
    Verzweifelt schaute Nathanael noch einmal hin, und diesmal entdeckte er einen kaum sichtbaren Rand, der die Iris wie ein dünner Bleistiftstrich umgab.
    »Doch, Sir«, sagte er eifrig. »Jetzt sehe ich es.«
    »Na endlich.« Der Zauberer lehnte sich wieder zurück. »Wenn du zwölf bist, werden zwei entscheidende Dinge passieren. Zunächst einmal wirst du einen neuen Namen annehmen. Weshalb?«
    »Damit die Dämonen meinen richtigen Namen nicht herausfinden und Gewalt über mich erlangen können.«
    »Korrekt. Feindlich gesinnte Zauberer sind natürlich genauso gefährlich. Zweitens bekommst du dein erstes Paar Kontaktlinsen. Du darfst sie ständig tragen, und sie gestatten es dir, die Arglist der Dämonen zumindest teilweise zu durchschauen. Bis dahin benutzt du diese Brille, aber nur, wenn ich es dir erlaube, und du darfst sie auf keinen Fall aus dem Labor entfernen. Verstanden?«
    »Ja, Sir. Wieso kann man mit den Kontaktlinsen Dämonen durchschauen?«
    »Wenn Dämonen sich zeigen, können sie alle möglichen trügerischen Erscheinungsformen annehmen, nicht nur auf der materiellen Ebene, sondern auch auf anderen Wahrnehmungsebenen – mehr dazu ein andermal, das würde jetzt zu weit führen. Manche mächtigeren Dämonen können sich sogar unsichtbar machen. Ihre Verstellungskunst und Hinterhältigkeit sind unerschöpflich. Mit den Linsen, und bis zu einem gewissen Grad auch mit der Brille, kann man auf mehreren Ebenen gleichzeitig sehen. Das ermöglicht es einem, ihre Trugbilder zu entlarven. Sieh mal hier…« Nathanaels Meister griff hinter sich in ein voll gestopftes Regal und nahm eine große Glasflasche heraus, die mit Siegelwachs und einem Korken luftdicht verschlossen war. Sie enthielt eine grünliche, ölige Flüssigkeit, in der eine tote Ratte mit braunen Borsten und bleichem Bauch schwamm. Nathanael verzog das Gesicht. Sein Meister beobachtete ihn.
    »Wofür hältst du das, Junge?«, fragte er.
    »Für eine Ratte, Sir.«
    »Was für eine?«
    »Eine braune. Rattus norvegicus, Sir.«
    »Gut. Stets die lateinische Bezeichnung parat, hm? Sehr gut. Ganz falsch, aber trotzdem gut. Es ist nämlich gar keine Ratte. Setz deine Brille auf und sieh noch mal hin.«
    Nathanael tat wie geheißen. Die Brille saß kalt und schwer auf

Weitere Kostenlose Bücher