Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand
einem Teetablett und einem vorgewölbten Bauch hindurch.
»Das ist der Junge«, sagte der Zauberer schroff und klopfte Nathanael unbeholfen auf die Schulter. Drei Männer blickten auf ihn herab. Der eine war alt und weißhaarig, sein rotes, runzliges Gesicht erinnerte an eine getrocknete Tomate. Der zweite war mittleren Alters, hatte ein teigiges Gesicht mit wasserblauen Augen und seine Haut sah so kalt und feucht aus wie ein toter Fisch. Der dritte war der Jüngste und Attraktivste. Er hatte mit Gel zurückgekämmtes Haar, eine runde Brille und strahlend weiße Zähne, groß wie Klaviertasten. Nathanael blickte die drei Fremden stumm an.
»Sieht nicht besonders aus«, sagte der fischige Mann, zog die Nase hoch und schluckte etwas herunter.
»Er lernt langsam«, erwiderte Nathanaels Meister, der Nathanael immer noch zerstreut die Schulter tätschelte, was darauf hindeutete, dass er sich unwohl fühlte.
»Langsam, hä?«, wiederholte der alte Mann. Er sprach mit einem so starken Akzent, dass Nathanael ihn kaum verstand. »Ja, ja, so sind manche Jungen halt. Da muss man Geduld haben.«
»Schlagen Sie ihn?«, fragte der Fischige.
»Selten.«
»Sollten Sie aber. Schläge fördern das Denkvermögen.«
»Wie alt bist du, Junge?«, fragte der Jüngere.
»Zehn, Sir«, antwortete Nathanael höflich. »Im Nov…«
»Wird noch Jahre dauern, bis er Ihnen zur Hand gehen kann, Underwood.« Der Besucher überging Nathanael, als wäre er überhaupt nicht da. »Kostet vermutlich ein Vermögen, was?«
»Sie meinen Unterkunft und Verpflegung? Allerdings.«
»Ich wette, er futtert auch noch wie ein Scheunendrescher.«
»Gefräßig, hä?«, sagte der alte Mann und nickte teilnahmsvoll. »Ja, ja, so sind manche Jungen halt.«
Nathanael hörte mit mühsam unterdrückter Empörung zu.
»Ich bin nicht gefräßig, Sir«, sagte er in seinem höflichsten Ton. Der Blick des alten Mannes streifte ihn flüchtig und wanderte dann weiter, als hätte er ihn nicht gehört, doch die Hand seines Meisters krallte sich schmerzhaft in seine Schulter.
»Na schön, Junge, du kannst jetzt wieder zu deinem Unterricht zurückgehen«, sagte er. »Lauf.«
Nathanael war heilfroh, dass er wieder verschwinden durfte, doch gerade als er sich davonstehlen wollte, hob der junge Zauberer mit der Brille die Hand.
»Wie ich höre, hast du einen Mund zum Reden«, sagte er. »Hast keine falsche Scheu vor Respektspersonen.«
Nathanael blieb stumm.
»Oder sind wir für dich etwa keine Respektspersonen?«
Der Mann sagte es leichthin, doch der scharfe Unterton war unmissverständlich. Nathanael merkte sofort, dass es hier nicht um ihn ging, sondern dass ihn der junge Zauberer nur benutzte, um seinen Meister zu provozieren. Er hatte das Gefühl, dass man von ihm eine Antwort erwartete, war jedoch von der Frage selbst so verwirrt, dass er nicht wusste, ob er Ja oder Nein sagen sollte.
Der junge Mann fasste sein Schweigen falsch auf. »Der Kleine hält sich wohl für was Besseres, dass er jetzt überhaupt nicht mehr mit uns spricht!«, meinte er grinsend zu seinen beiden Kollegen.
Der Fischige kicherte feucht hinter vorgehaltener Hand und der Alte mit dem roten Gesicht schüttelte den Kopf. »Tja«, sagte er.
»Nun lauf schon, Junge«, wiederholte Nathanaels Meister.
»Augenblick noch, Underwood«, sagte der Jüngere mit breitem Grinsen. »Vorher möchten wir gern noch sehen, was Sie dem Bürschchen schon alles beigebracht haben. Das wird bestimmt lustig. Komm mal her, Kleiner.«
Nathanael schaute seinen Meister an, doch der wich seinem Blick aus. Langsam und widerstrebend ging der Lehrling zu den drei Besuchern zurück. Der junge Mann schnippte plötzlich mit den Fingern und sprach rasend schnell.
»Wie viele klassifizierte Geister gibt es?«
»Dreizehntausendsechsundvierzig, Sir«, antwortete Nathanael wie aus der Pistole geschossen.
»Und nicht klassifizierte?«
»Petronius nennt fünfundvierzigtausend, Zavattini achtundvierzigtausend, Sir.«
»Wie ist der Modus Apparendi der karthagischen Untergruppe?«
»Diese Geister erscheinen als schreiende Säuglinge, Sir, oder als Doppelgänger des Zauberers in seiner Jugend.«
»Wie soll man sie züchtigen?«
»Man lässt sie einen Bottich Eselsmilch austrinken.«
»Hm. Was für Vorsichtsmaßnahmen muss man bei der Beschwörung eines Basilisken treffen?«
»Man muss eine Spiegelbrille aufsetzen, Sir, und auch das Pentagramm auf zwei Seiten mit Spiegeln umstellen, um den Basilisken dazu zu zwingen, in
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