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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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die verbleibende Richtung zu schauen, wo ihn schriftliche Anweisungen erwarten.«
    Nathanael gewann an Selbstvertrauen. Derlei Kleinigkeiten hatte er sich schon lange eingeprägt, und er freute sich, dass sich der junge Mann über seine unfehlbar korrekten Antworten ärgerte. Sein Erfolg hatte auch das Gekicher des Fischigen abgewürgt, und der Alte, der mit schief gelegtem Kopf zuhörte, hatte sogar ein-oder zweimal widerstrebend genickt. Nathanael sah, dass sein Meister selbstgefällig lächelte. Sie brauchen sich gar nichts darauf einzubilden, dachte Nathanael wütend. Ich habe mir das alles selber angelesen. Sie haben mir bis jetzt kaum etwas beigebracht.
    Zum ersten Mal entstand eine kurze Unterbrechung im Fragenbombardement des jungen Mannes. Er schien nachzudenken. »Nun gut«, sagte er schließlich und sprach plötzlich viel langsamer, wobei er jedes Wort genüsslich auskostete: »Wie lauten die sechs Beschwörungsworte? In welcher Sprache ist mir gleich.«
    Arthur Underwood protestierte aufgebracht: »Das ist nicht fair, Simon! Das kann er jetzt noch gar nicht wissen!« Doch Nathanael setzte bereits zu einer Antwort an. Die gewünschte Formel kam in mehreren Büchern aus des Meisters großem Regal vor, in dem Nathanael bereits seit geraumer Zeit herumschmökerte.
    »Appare – Mane – Ausculta – Se Dede – Pare – Redi. Erscheine – Verharre – Höre – Diene – Gehorche – Kehre zurück.« Siegessicher suchte er nach dem letzten Wort den Blick des jungen Zauberers.
    Die Zuhörer murmelten anerkennend und auf dem Gesicht seines Meisters lag jetzt ein unverhohlenes Grinsen. Der Fischige hob die Augenbrauen und der Alte schnitt eine Grimasse und formte mit den Lippen ein stummes ›Bravo‹. Nur der junge Prüfer zuckte abfällig die Achseln, als handelte es sich um einen reinen Zufallstreffer. Er sah so herablassend aus, dass Nathanaels Befriedigung in glühenden Zorn umschlug.
    »Die Anforderungen müssen wirklich sehr gesunken sein«, sagte der junge Zauberer, zog ein Taschentuch heraus und wischte sich einen imaginären Fleck vom Ärmel, »dass ein begriffsstutziger Lehrling schon Beifall erntet, wenn er etwas daherplappert, das wir alle mit der Muttermilch eingesogen haben.«
    »Sie sind bloß ein schlechter Verlierer«, sagte Nathanael.
    Einen Augenblick herrschte Totenstille. Dann blaffte der junge Mann ein Wort, und Nathanael spürte, wie sich etwas Kleines, Kompaktes schwer auf seinen Schultern niederließ. Er schrie vor Schmerz auf, als sich unsichtbare Hände in sein Haar krallten und ihm brutal den Kopf in den Nacken rissen, sodass er an die Decke starrte. Er wollte die Arme heben, konnte sie jedoch nicht bewegen, da sie von einem scheußlichen Muskelstrang, der sich wie eine riesige Zunge um ihn herumwickelte, an beiden Seiten festgehalten wurden. Außer der Zimmerdecke konnte er nichts sehen. Zierliche Finger kitzelten seinen entblößten Hals mit grausamer Raffinesse und er rief in panischer Angst nach seinem Meister.
    Jemand trat zu ihm, aber es war nicht sein Meister. Es war der junge Zauberer.
    »Na, du unverschämter Rotzlümmel«, sagte er leise. »Was machst du jetzt, hm? Kannst du dich befreien? Nein? Na so was – du bist hilflos. Du kennst vielleicht ein paar Formeln, aber du kannst überhaupt nichts. Vielleicht lehrt dich das, wie gefährlich es ist, wenn man frech ist, aber zu schwach, um sich zu wehren. Und jetzt verschwinde.«
    Etwas kicherte Nathanael ins Ohr und stieß sich mit kräftigen Beinen von seinen Schultern ab, im selben Moment kamen auch seine Arme wieder frei. Der Kopf fiel ihm auf die Brust und Tränen quollen ihm aus den Augen. Der Schmerz hatte sie hervorgebracht, doch Nathanael fürchtete, wie ein greinender Jammerlappen auszusehen. Er trocknete sich mit dem Ärmel das Gesicht.
    Im Zimmer war es still. Die Zauberer hatten ihre Gespräche eingestellt und alle sahen zu ihm her. Nathanael schaute zu seinem Meister hinüber, flehte ihn stumm um Hilfe oder Unterstützung an, doch Arthur Underwoods Augen funkelten vor Zorn – der sich gegen seinen Lehrling zu richten schien. Nathanael erwiderte den Blick verständnislos, dann drehte er sich um, ging durch die schweigende Gasse, die sich vor ihm auftat, zur Tür, öffnete sie und trat auf den Korridor hinaus.
    Leise und vorsichtig schloss er die Tür hinter sich.
    Und stieg mit kalkweißem, ausdruckslosem Gesicht die Treppe hinauf.
    Auf dem Weg nach oben kam ihm Mrs Underwood entgegen.
    »Na, wie war’s, mein

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