Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand
Er hört sowieso nie was.«
»Aber seine bessere Hälfte…«
»Halt die Klappe! Ich denke nach. Du hast da vorhin zweimal etwas gemacht… Was war das…?«
Er schnippte mit den Fingern. »Mein Name! Genau! Du hast ihn benutzt, um meine Bannflüche abzuwehren. Zum Teufel mit dir!«
Ich betrachtete mit hochgezogenen Augenbrauen meine Fingernägel. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich weiß etwas, was du nicht weißt!«
Der Junge stampfte wieder mit dem Fuß auf. »Hör auf! Sprich gefälligst nicht so mit mir!«
»Wie denn?«
»So wie eben! Du redest wie ein Schuljunge!«
»Das musst du grade sagen.«
Allmählich machte mir die Sache Spaß. Ich konnte ihn wunderbar ärgern. Dass ich seinen Namen wusste, machte ihm schwer zu schaffen. Ich spürte, dass er kurz vor dem nächsten Angriff stand – er stellte sich bereits in Positur –, und ich nahm eine ähnliche, aber eher verteidigungsbereite Haltung ein, etwa wie ein Sumo-Ringer. Ptolemäus war genauso groß wie der Junge gewesen, hatte ebenfalls dunkles Haar gehabt und so weiter 36
(Obwohl er natürlich wesentlich besser ausgesehen hatte. )
und auf diese Weise war alles schön ausgewogen.
Es gelang dem Bengel jedoch, sich zu beherrschen. Man sah ihm an, wie er sich fieberhaft alles, was er bis dahin gelernt hatte, ins Gedächtnis rief und nach etwas Passendem suchte. Er hatte kapiert, dass es inzwischen nicht mehr mit einer simplen RuckZuck-Bestrafung getan war, denn die würde ich einfach auf ihn zurücklenken.
»Mir fällt schon noch was ein«, murmelte er finster. »Wart’s ab.«
»Huch, da krieg ich aber Angst«, erwiderte ich. »Guck mal, ich bibbere schon richtig.«
Der Junge konzentrierte sich. Er hatte riesige, dunkle Ringe unter den Augen. Jeder Bannfluch kostete ihn Kraft. Mir war das gerade recht. Es soll schon Zauberer gegeben haben, die vor lauter Überanstrengung tot umgefallen sind. Die armen Kerle führen aber auch wirklich ein stressiges Leben.
Er dachte ziemlich lange nach. Ich gähnte demonstrativ und ließ an meinem Handgelenk eine Uhr erscheinen, damit ich ab und zu gelangweilt draufschauen konnte.
»Warum fragst du nicht deinen Boss?«, schlug ich vor. »Der hilft dir bestimmt aus der Klemme.«
»Meinen Meister? Soll das ein Witz sein?«
»Nicht den alten Trottel. Den Typen, der dich auf Lovelace angesetzt hat.«
Der Junge zog die Stirn kraus. »Da gibt es niemanden, ich habe keinen Boss.«
Jetzt schaute zur Abwechslung mal ich dumm aus der Wäsche.
»Ich mache das aus eigenem Antrieb.«
Ich stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Soll das etwa heißen, du hast mich ohne fremde Hilfe beschworen? Nicht übel… für so einen Knirps.« Meine Stimme nahm einen schmeichlerischen Tonfall an. »Dann will ich dir mal einen kleinen Tipp geben. Es wäre das Beste für dich, mich zu entlassen. Du brauchst dringend Ruhe. Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut? In einen ohne Kobold drin, meine ich? Du hast schon richtige Sorgenfalten. So was ist gar nicht gut in deinem Alter. Nächstens kriegst du noch graue Haare. Wie soll das erst werden, wenn du deinem ersten Sukkubus 37
(Sukkubus: Ein Dschinn in verführerischer, weiblicher Gestalt. Seltsamerweise bei männlichen Magiern überaus beliebt. )
begegnest? Der Ärmsten vergeht ja alles!«
Mir war bewusst, dass ich zu viel redete, aber ich konnte nicht anders, ich war verunsichert. Der berechnende Blick, mit dem mich der Bursche ansah, gefiel mir überhaupt nicht.
»Und außerdem«, fuhr ich fort, »wenn ich erst weg bin, weiß niemand, dass du das Amulett hast. Du kannst es ungehindert benutzen. Es ist eine echte Kostbarkeit und offenbar sind alle ganz scharf drauf. Ich bin noch nicht dazu gekommen, es dir zu erzählen, aber als ich mich in der Stadt herumgetrieben habe, hat ein Mädchen versucht, es mir abzunehmen.«
Der Junge sah mich fragend an. »Was für ein Mädchen?«
»Du kannst mich schlagen, aber ich habe keinen Schimmer.« Ich erwähnte nicht, dass das Mädchen und seine Kumpane genau das getan hatten.
Er zuckte die Achseln. »Mich interessiert nur Simon Lovelace«, murmelte er wie im Selbstgespräch. »Nicht das Amulett. Lovelace hat mich gedemütigt und dafür muss er büßen.«
»Übermäßiger Hass ist ungesund«, erlaubte ich mir zu bemerken.
»Wieso?«
»Äh…«
»Ich will dir mal was verraten, Dämon«, fuhr er fort. »Kraft meiner Magie 38
(Typisches Zauberergeschwätz. Der arme Kobold in der Bronzescheibe hatte die ganze Arbeit
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