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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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schrillen Schimpftirade der Alten, sah er gegenüber eine ihm wohl bekannte, schlanke Gestalt aus einer Tür treten und das Foyer durchqueren. Es war Jane Farrar, Duvalls Gehilfin, wie immer geschmackvoll gekleidet und mit herrlich schwarz glänzendem Haar.
    Nathanael lief dunkelrot an. Er bückte sich noch hektischer, aber es waren sehr viele Akten, und der Raum war nicht sehr groß. Er war noch längst nicht fertig, und der alten Dame waren die Schimpfworte noch längst nicht ausgegangen, da hatte Miss Farrar den Schauplatz erreicht. Aus dem Augenwinkel sah er ihre Schuhspitzen. Sie war stehen geblieben und beobachtete ihn. Er konnte sich ihr amüsiertes Gesicht nur allzu gut vorstellen.
    Also holte er tief Luft, richtete sich auf und drückte der Alten die Akten in die Hände. »Bitte sehr. Und noch einmal: Es tut mir Leid.«
    »Das will ich doch hoffen! Sie sind der rücksichtsloseste, arroganteste, abscheulichste kleine…«
    »Warten Sie, ich helfe Ihnen mit der Tür…«
    Er drehte die Alte mit festem Griff in Richtung Ausgang und schickte sie mit einem kräftigen Schubs auf den Weg. Dann strich er sich den Anzug glatt, drehte sich um und blinzelte, als wäre er völlig verblüfft.
    »Miss Farrar! Das ist ja eine angenehme Überraschung!«
    Sie schenkte ihm ein träges, geheimnisvolles Lächeln. »Sieh da, Mr Mandrake! Sie sind wohl ein bisschen außer Puste.«
    »Tatsächlich? Nun ja, ich bin heute Nachmittag tatsächlich ein wenig in Eile. Und die arme alte Frau war hingefallen, da habe ich ihr natürlich geholfen…« Sie musterte ihn kühl. »Also dann… ich muss weiter…«
    Er wollte weitergehen, doch Jane Farrar rückte näher. »Ich weiß ja, dass Sie viel beschäftigt sind, John«, sagte sie, »aber ich bräuchte ganz dringend Ihren Rat, wenn das nicht zu unverschämt ist.« Sie wickelte spielerisch eine lange schwarze Strähne um den Finger. »Heute muss mein Glückstag sein! Ich bin ja so froh, dass Sie mir über den Weg laufen! Ich habe nämlich läuten gehört, dass es Ihnen kürzlich gelungen ist, einen Dschinn der vierten Ebene zu beschwören. Ist das wirklich wahr?« Ihre großen dunklen Augen leuchteten vor Bewunderung.
    Nathanael trat einen kleinen Schritt zurück. Ihm war vielleicht ein bisschen ungemütlich, ein bisschen geschmeichelt war er auf jeden Fall, trotzdem hatte er nicht die geringste Lust, sich über so persönliche Angelegenheiten wie die Wahl seines Dämons zu unterhalten. Bedauerlich, dass sich der Zwischenfall im British Museum derart herumgesprochen hatte… jetzt würde alle Welt Vermutungen über seinen Diener anstellen, aber es war immer ratsam, auf der Hut zu sein: Unangreifbar – unerkannt – unbesiegbar. Er lächelte gezwungen. »Ja, das stimmt, da haben Sie richtig gehört. So etwas ist gar nicht so schwer. Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich jetzt…«
    Jane Farrar seufzte leise und strich sich die Strähne anmutig hinters Ohr. »Nein, wie klug Sie sind! Wissen Sie, ich habe dasselbe auch schon versucht… einen Dämon der vierten Ebene zu beschwören…, aber ich muss irgendetwas verwechselt haben, denn es wollte und wollte nicht klappen. Ich komme einfach nicht drauf, woran es liegt! Könnten Sie nicht rasch mitkommen und die Formeln mit mir noch einmal durchgehen? Ich habe ein eigenes Pentagramm. In meiner Wohnung, hier ganz in der Nähe. Dort sind wir beide ganz unter uns, niemand kann uns stören…« Sie legte den Kopf ein wenig schief und lächelte. Sie hatte blendend weiße Zähne.
    Nathanael wurde peinlich bewusst, dass ihm ein Schweißtropfen die Schläfe hinunterlief. Er schaffte es, sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen und dabei den Tropfen hoffentlich unauffällig wegzuwischen. Er fühlte sich ganz komisch… einerseits benommen, andererseits beflügelt und voller Tatkraft. Im Grunde war es für ihn ein Klacks, Miss Farrar zu helfen. Einen Dschinn zu beschwören, war eigentlich ganz einfach, wenn man es ein paar Mal gemacht hatte. Keine große Sache. Plötzlich war er ganz versessen darauf, ihr zu helfen, sich ihrer Dankbarkeit zu versichern.
    Mit ihren schlanken Fingern berührte sie zart seinen Arm. »Was halten Sie davon, John?«
    »Äh…« Stirnrunzelnd öffnete er den Mund und schloss ihn wieder. Irgendetwas hielt ihn zurück. Es hatte mit der Zeit zu tun, besser gesagt mit dem Mangel an Zeit. Aber was nur? Er war ins Ministerium gekommen, um… was hatte er hier eigentlich gewollt? Er konnte sich beim besten Willen nicht

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