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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Mensch, würden wir denjenigen in eine Anstalt einliefern. Wenn wir wollten, könnten wir die Stadt aus ihren Tagträumen wachrütteln, Mandrake, aber das wollen wir gar nicht. Nein, es ist viel besser, wenn Prag so verträumt und weltfremd bleibt, gerade nicht so durchgeplant und zukunftsorientiert, wie London ist. Und Leute wie Harlekin, die dort für uns die Stellung halten, müssen genauso denken wie die Tschechen, sonst würden sie uns nichts nützen, verstehen Sie? Harlekin ist einer unserer besten Spione, Mandrake. Deshalb auch seine fantasievollen Anweisungen. Ich rate Ihnen, sie Wort für Wort zu befolgen.«
    »Jawohl, Sir. Ich werd mir Mühe geben.«

Bartimäus
23
    Kaum hatte ich mich materialisiert, wusste ich, dass ich in Prag war. Der verblichene Prunk des vergoldeten Kronleuchters an der Decke des Hotelzimmers, die mit Verzierungen überladenen, schmuddeligen Stuckleisten am Übergang von Decke und Wänden, der eingestaubte Faltenwurf des Baldachins über dem schmalen Himmelbett, die ganze mit Schwermut getränkte Atmosphäre – einfach alles ließ darauf schließen. Wie auch das ausgesprochen übellaunige Gesicht meines Herrn. Noch während er die letzten Silben der Beschwörungsformel nuschelte, sah er sich argwöhnisch im Zimmer um, als könnte es sich plötzlich auf ihn stürzen und ihn beißen.
    »Gute Reise gehabt?«, erkundigte ich mich.
    Er wirkte vorsorglich noch ein paar zusätzliche Bannsprüche, dann trat er aus dem Kreis und winkte mir, es ihm gleichzutun. »Kann man eigentlich nicht behaupten. Als ich durch den Zoll musste, hatte ich noch magische Rückstände an mir. Die Beamten haben mich am Schlafittchen gepackt und in ein zugiges Hinterzimmer geführt, wo ich geredet habe wie ein Weltmeister. Ich habe ihnen erzählt, mein Weinlager würde direkt an eine Behörde grenzen und manchmal würden ein paar verirrte Zaubersprüche durch die Wand dringen. Irgendwann haben sie’s geschluckt und mich laufen lassen.« Er schnitt eine Grimasse. »Ich verstehe das nicht! Ich habe mich extra umgezogen, bevor ich von zu Hause weg bin, damit mir bloß nichts mehr anhaftet!«
    »Hast du auch die Unterhose gewechselt?«
    Er überlegte. »Oh… stimmt, ich war sehr in Eile. Die hab ich vergessen.«
    »Dann liegt’s wohl daran. Du würdest dich wundern, was sich da unten so alles ansammelt.«
    »Und sieh dir dieses Zimmer an«, fuhr der Junge fort. »Das soll das erste Hotel am Platz sein? Jede Wette, dass es in den letzten hundert Jahren kein einziges Mal renoviert wurde! Siehst du die Spinnweben dort oben auf dem Baldachin? Ekelhaft! Und kannst du erkennen, welche Farbe der Teppich mal hatte? Ich nicht.« Er trat gereizt gegen das Bett. Eine Staubwolke stieg empor. »Was soll dieses dämliche Himmelbettteil überhaupt? Warum haben die hier nicht einen hübschen, sauberen Futon oder so was, wie bei uns?«
    »Jetzt mach aber mal halblang! Immerhin hast du ein eigenes Badezimmer.« Ich inspizierte die abschreckende Tür, die mit dramatischem Quietschen aufschwang und den Blick auf ein schäbig gefliestes Bad freigab, das von einer nackten Glühbirne beleuchtet wurde. In der Ecke lauerte eine monströse, dreibeinige Badewanne von der Sorte, worin man seine Braut ersäuft oder niedliche kleine Krokodile aufzieht, indem man sie mit einer besonderen Fleischkost füttert, sodass sie unheimlich schnell unheimlich groß werden. 35
(Das gehört zu Prags merkwürdigen Eigenarten. Irgendetwas an dieser Stadt, vielleicht liegt es an den fünfhundert Jahren finsterer Zaubermachenschaften, verleiht jedem Gegenstand einen makabren Touch, ganz gleich wie alltäglich er ist.)
Gegenüber prangte eine ähnlich imposante Toilette, deren Zugkette wie ein Galgenstrick von der Decke baumelte. 36
(Verstehst du jetzt, was ich meine? )
In entlegeneren Winkeln der Decke lieferten sich Spinnweben und Schimmel erbarmungslose Schlachten um die Vorherrschaft. Über die Wand kroch ein Gewirr aus Metallrohren, das Wanne und Toilette irgendwie miteinander verband und dabei Erinnerungen an die hervorquellenden Eingeweide eines…
    Ich schloss die Tür. »Wenn ich’s mir recht überlege, wirfst du lieber keinen Blick hier rein. Ist bloß ein ganz gewöhnliches Bad. Nichts Besonderes. Wie ist die Aussicht?«
    Er sah mich finster an. »Guck doch selber nach.«
    Ich schob den schweren roten Vorhang auseinander und sah auf das anheimelnde Panorama eines großen städtischen Friedhofs. Zeilen adretter Grabsteine erstreckten sich in die

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