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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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dem anderen versuchte, seinen Posten wieder loszuwerden, allein Rudolf war nicht bereit, sie gehen zu lassen. Versuchte einer, sich heimlich aus dem Staub zu machen, erwarteten ihn die kaiserlichen Truppen schon auf der Burgtreppe; versuchte ein anderer, sich durch Zauberei zu entziehen, hielt ihn das Abwehrnetz zurück, das die ganze Burg umschloss. Keinem Einzigen gelang die Flucht. Viele verreckten elend in den Verliesen, die restlichen nahmen sich das Leben. Denjenigen von uns Geistern, die Gelegenheit hatten, diese Entwicklung zu verfolgen, entging die Moral von der Geschichte keineswegs: Die uns gefangen hielten, waren Gefangene ihres eigenen Ehrgeizes geworden. )
Auch als man die Suche nach dem Stein der Weisen irgendwann aufgab, blieb die Straße weiterhin Wohnsitz diverser ausländischer Zauberer, die in tschechischen Diensten standen. Die Regierung siedelte sie absichtlich in der Nähe der Burg an, um sie besser im Auge behalten zu können. Und so wurde die Tradition fortgeführt bis zu jener blutigen Nacht, da Gladstones Truppen die Stadt eroberten.
    Ein legendärer Stein, von dem es heißt, er könne unedle Metalle in Gold oder Silber verwandeln. Seine Existenz ist selbstverständlich nichts als Lug und Trug, das kann einem jeder x-beliebige Kobold sagen. Wir Dschinn können zwar die äußere Erscheinung der Dinge verändern, indem wir einen Blendezauber oder ein Trugbild wirken, doch ihre wahre Natur dauerhaft zu verändern, ist nicht möglich. Aber die Menschen hören ja nie zu, wenn ihnen etwas nicht in den Kram passt, und deshalb haben unzählige Leute ihr Leben mit der aussichtslosen Suche nach dem Stein der Weisen verplempert.
    Die Zauberer kamen aus allen Ecken und Winkeln der bekannten Welt: aus Spanien, Großbritannien, aus dem verschneiten Russland, den Randgebieten der indischen Wüsten, und ausnahmslos lockte sie die Hoffnung auf überreiche Belohnung. Allesamt waren sie Meister in hundert Künsten, allesamt Peiniger dutzender Dschinn. Allesamt trieben sie Jahr um Jahr im Dienste dieser Sache ihre Sklaven bis zur Erschöpfung an, allesamt scheiterten sie kläglich. Bart um Bart wurde grau und grauer, die Hände schwach und zittrig, die Gewänder zerschlissen und farblos von endlosen Beschwörungen und Experimenten. Einer nach dem anderen versuchte, seinen Posten wieder loszuwerden, allein Rudolf war nicht bereit, sie gehen zu lassen. Versuchte einer, sich heimlich aus dem Staub zu machen, erwarteten ihn die kaiserlichen Truppen schon auf der Burgtreppe; versuchte ein anderer, sich durch Zauberei zu entziehen, hielt ihn das Abwehrnetz zurück, das die ganze Burg umschloss. Keinem Einzigen gelang die Flucht. Viele verreckten elend in den Verliesen, die restlichen nahmen sich das Leben. Denjenigen von uns Geistern, die Gelegenheit hatten, diese Entwicklung zu verfolgen, entging die Moral von der Geschichte keineswegs: Die uns gefangen hielten, waren Gefangene ihres eigenen Ehrgeizes geworden.
    Heutzutage hausten hier keine ausländischen Zauberer mehr. Die Häuser waren kleiner, als ich sie in Erinnerung hatte, und drängten sich eng aneinander wie Seevögel auf einer schmalen Landzunge. Ich spürte zwar die alte Magie, die noch immer tief im Gemäuer saß, aber kaum etwas Neues. Bis auf… Die Ebenen bebten jetzt stärker, die Ursache war viel näher. Die Fledermaus sah sich noch einmal gründlich um. Und was sah sie? Einen Hund, der am Fuß einer alten Mauer ein Loch buddelte. Ein erleuchtetes, von dünnen Gardinen eingerahmtes Fenster, dahinter einen alten Mann, der am Herd hockte. Eine junge Frau, die im Schummerlicht der Straßenlaternen auf hochhackigen Schuhen vorsichtig übers Pflaster stöckelte und wahrscheinlich zur Burg wollte. Leere Fensterhöhlen, geschlossene Fensterläden, löchrige Dächer und kaputte Schornsteine. Vom Wind verstreuter Abfall. Wahrlich ein optimistisch stimmender Anblick.
    Etwa auf halber Höhe der Straße befand sich Nummer dreizehn, ein schiefer Schuppen, der genauso heruntergekommen und freudlos aussah wie die anderen Häuser, nur dass ihn auf der sechsten Ebene ein grün schimmerndes Abwehrnetz umgab. Dort war jemand zu Hause und dieser Jemand wollte nicht gestört werden.
    Die Fledermaus flog die Straße einmal hinauf und wieder hinunter, wobei sie darauf achtete, die magische Kuppel ja nicht zu streifen. Sonst war alles still und dunkel im Goldenen Gässchen, die Bewohner waren mit ihren allabendlichen Verrichtungen beschäftigt. Ich machte mich eilig auf

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