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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Gefangenen in den Gläsern Anweisungen hinsichtlich der gewünschten Farben und Lichtstärke für den folgenden Abend. Wenn er dabei genau auf Aussprache und Betonung achtete, entstanden sowohl aufeinander abgestimmte zarte Farbnuancen als auch Aufsehen erregende Knalleffekte, immer aber war das Ergebnis ein Spiegelbild der Stimmung am Hofe. )
Inzwischen waren die Laternen zerbrochen und hingen verrostet an ihren Pfosten. Abgesehen von einigen matt orangefarbenen Flecken, die Fenster darstellten, lag der Burgberg in nächtliches Dunkel gehüllt vor uns.
    Schließlich kamen wir an eine steile Treppe mit kopfsteingepflasterten Stufen. Am oberen Ende sah man die Lichter des Goldenen Gässchens unter dem Sternenhimmel funkeln, unmittelbar am Abhang des kalten schwarzen Berges. Neben der Treppe war eine niedrige Mauer und dahinter ein Komposthaufen; dort ließ ich Nathanael zurück, während ich in Fledermausgestalt einen kleinen Aufklärungsflug die Treppe hoch unternahm.
    Die Osttreppe hatte sich seit jenem fernen Tag, an dem mir der Tod meines Herrn die Freiheit wiedergeschenkt hatte, kaum verändert. Leider war es äußerst unwahrscheinlich, dass auch diesmal ein Afrit aus dem Gebüsch springen und sich meinen derzeitigen Herrn schnappen würde. Die einzigen verdächtigen Geschöpfe, die ich ausmachen konnte, waren drei dicke Eulen im Geäst der Bäume, die links und rechts die Treppe säumten. Ich ging auf Nummer Sicher, aber es waren auch auf der siebten Ebene noch Eulen.
    Weit weg, am anderen Ufer der Moldau, war die Jagd immer noch in vollem Gange. Die Trillerpfeifen der Soldaten schrillten in trauriger Vergeblichkeit, ein Klang, der meine Substanz erschauern ließ. Und warum? Weil Bartimäus zu schnell für sie gewesen war, weil der gesuchte Dschinn längst außer Reichweite war und soeben die zweihundertsechsundfünfzig Stufen zur Burg hinaufhuschte. Und weil irgendwo dort vor mir in der nächtlichen Stille jenes Prickeln seinen Ursprung hatte, das ich immer noch auf allen sieben Ebenen spürte – eine sonderbare, unbekannte magische Kraft. Die Sache wurde allmählich interessant.
    Die Fledermaus flog an der Ruine des alten Schwarzen Turms vorbei, in dem einst die kaiserliche Ehrengarde einquartiert gewesen war, jetzt aber nur noch ein paar schlummernde Raben hausten. Dann war ich am Ziel: eine schmale, unscheinbare Straße zwischen bescheidenen Wohnhäuschen mit hohen, fleckigen Schornsteinen, winzigen Fenstern, blätternden Fassaden und schlichten Holztüren, die ohne Vortreppe auf die Straße führten. So hatte es hier auch zu glücklicheren Zeiten ausgesehen. Im Goldenen Gässchen herrschten andere Maßstäbe als anderswo.
    Die schon seit jeher durchhängenden Dächer waren mittlerweile jenseits von Gut und Böse, bestanden nur noch aus krummen Balken und losen Ziegeln. Ich ließ mich auf einem vorstehenden Dachsparren am Ende der Straße nieder und sah mich um. Zur Zeit Rudolfs, des raffgierigsten aller Kaiser, war das Goldene Gässchen der Schauplatz ungeheurer magischer Anstrengungen gewesen, die keinem geringeren Zweck dienten als jenem, den Stein der Weisen zu finden. 48
(Ein legendärer Stein, von dem es heißt, er könne unedle Metalle in Gold oder Silber verwandeln. Seine Existenz ist selbstverständlich nichts als Lug und Trug, das kann einem jeder x-beliebige Kobold sagen. Wir Dschinn können zwar die äußere Erscheinung der Dinge verändern, indem wir einen Blendezauber oder ein Trugbild wirken, doch ihre wahre Natur dauerhaft zu verändern, ist nicht möglich. Aber die Menschen hören ja nie zu, wenn ihnen etwas nicht in den Kram passt, und deshalb haben unzählige Leute ihr Leben mit der aussichtslosen Suche nach dem Stein der Weisen verplempert.)
In jedem Haus hatte sich ein anderer Alchimist eingemietet und für etliche Jahre wurde in den winzigen Häuschen emsig experimentiert. 49
(Die Zauberer kamen aus allen Ecken und Winkeln der bekannten Welt: aus Spanien, Großbritannien, aus dem verschneiten Russland, den Randgebieten der indischen Wüsten, und ausnahmslos lockte sie die Hoffnung auf überreiche Belohnung. Allesamt waren sie Meister in hundert Künsten, allesamt Peiniger dutzender Dschinn. Allesamt trieben sie Jahr um Jahr im Dienste dieser Sache ihre Sklaven bis zur Erschöpfung an, allesamt scheiterten sie kläglich. Bart um Bart wurde grau und grauer, die Hände schwach und zittrig, die Gewänder zerschlissen und farblos von endlosen Beschwörungen und Experimenten. Einer nach

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