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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem
Autoren: Jonathan Stroud
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Gegend lebten, aber im Geheimen umstürzlerische Komplotte schmiedeten.
    »Halt die Augen offen, Kitty«, riet ihr die Mutter. »Auf kleine Mädchen achtet niemand. Wer weiß, vielleicht entdeckst du ja etwas.«
    »Besonders hier bei uns in Balham«, setzte der Vater verdrossen hinzu.
    Die Gegend, in der Kitty wohnte, war für die vielen Tschechen bekannt, die schon seit Generationen dort lebten. Auf der Hauptstraße gab es etliche kleine Borschtsch-Stuben, die unschwer an den gehäkelten Gardinen und bunten Blumentöpfen auf den Fensterbrettern zu erkennen waren. Auf den Gehwegen vor den Kneipen spielten alte Herren mit wettergegerbten Gesichtern und weißen Hängeschnurrbärten Schach und schoben Kegel, und viele ortsansässige Geschäfte gehörten den Enkeln der Emigranten, die zu Gladstones Zeiten nach England eingewandert waren.
    Obwohl das Viertel blühte und gedieh (etliche bekannte Buchdrucker hatten sich dort niedergelassen, darunter die berühmte Firma Hyrnek und Söhne), stand es aufgrund seines unverkennbar kontinentalen Gepräges unter besonderer Beobachtung durch die Nachtpolizei. Je älter Kitty wurde, desto mehr gewöhnte sie sich daran, am helllichten Tag Zeugin von Razzien zu werden, bei denen grau uniformierte Polizeistreifen Wohnungstüren aufbrachen und die Habseligkeiten der Bewohner auf die Straße warfen. Manchmal nahmen sie die jungen Männer in ihren Dienstwagen mit, ein andermal blieb die Familie zusammen und durfte die Trümmer ihrer Einrichtung vom Bürgersteig aufklauben. Trotz der Beschwichtigungen ihres Vaters empörte sich Kitty über diese Vorfälle.
    »Die Polizei muss eben Präsenz zeigen«, erklärte er. »Den Unruhestiftern ab und zu auf die Finger klopfen. Die werden schon ihre Gründe haben, Kitty.«
    »Aber Papa, das waren Freunde von Mr Hyrnek!«
    »Dann soll er sich seine Freunde eben ein bisschen besser aussuchen!«, brummelte der Vater.
    Dabei war Kittys Vater eigentlich immer höflich und freundlich zu Mr Hyrnek, dessen Frau Kittys Mutter immerhin eine neue Stelle verschafft hatte. Die Hyrneks waren in der ganzen Gegend bekannt und beliebt und so mancher Zauberer war bei ihnen Stammkunde. Ihre Buchdruckerei lag auf einem großen Gelände unweit von Kittys Haus und viele Leute aus der Umgebung standen bei ihnen in Lohn und Brot. Trotzdem schienen die Hyrneks nicht besonders wohlhabend zu sein. Sie wohnten in einem großen, heruntergekommenen Haus, das ein Stück von der Straße zurückgesetzt war, weil sich davor ein verwilderter Garten mit ungemähtem Gras und Lorbeerbüschen erstreckte. Dank ihrer Freundschaft mit Jakob, dem jüngsten Hyrnek-Sohn, lernte es Kitty schon bald recht gut kennen.
    Kitty war groß für ihr Alter und in ihrem ausgeleierten Schulpullover und den weiten Hosen wurde sie immer größer und schlanker. Sie war auch kräftiger, als sie aussah. Schon etliche Jungs hatten es bereut, sie geneckt zu haben. Kitty machte nicht viele Worte, wenn es ein Nasenstüber genauso tat. Sie hatte dunkelbraunes, fast schwarzes und ziemlich glattes Haar, das sich nur an den Spitzen widerspenstig lockte, und sie trug es kürzer als die anderen Mädchen, gut kinnlang.
    Kitty hatte dunkle Augen und kräftige schwarze Augenbrauen. Man sah ihr immer sofort an, was sie dachte, und da sie sich rasch ein Urteil zu bilden pflegte, waren Augenbrauen und Mund immer in Bewegung.
    »Dein Gesicht sieht jede Minute anders aus«, hatte Jakob einmal gesagt. »Äh… das sollte ein Kompliment sein!«, hatte er hastig hinzugefügt, als Kitty ihn böse angefunkelt hatte.
    Sie saßen mehrere Jahre im selben Klassenzimmer und lernten, was den Kindern der Gewöhnlichen in einem bunten Fächermix eben so angeboten wurde. Der Schwerpunkt lag auf handwerklichen Fähigkeiten, denn sie sollten schließlich später in den Fabriken und Werkstätten der Stadt unterkommen; sie lernten Töpfern, Schnitzen, Metallverarbeitung und die Grundzüge der Mathematik. Auch technisches Zeichnen, Handarbeit und Kochen wurden unterrichtet und für sprach-interessierte Kinder wie Kitty standen auch Lesen und Schreiben auf dem Lehrplan, unter dem Vorbehalt, dass diese Fertigkeiten eines Tages angemessen angewandt würden, zum Beispiel im Rahmen einer Bürotätigkeit.
    Auch auf den Geschichtsunterricht wurde Wert gelegt. Täglich belehrte man sie über den ruhmreichen Aufstieg des britischen Staates. Kitty mochte diese Stunden gern, denn es ging oft um Magie und ferne Länder, aber sie hatte das vage Gefühl, dass
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