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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Herrschaft der Zauberer eigentlich bedeutete. Besser gesagt, sie war sich dessen nur unterschwellig bewusst gewesen, denn rückblickend erkannte sie, dass in ihr durchaus schon damals Zweifel und Ahnungen erwacht waren.
    Die Zauberer waren schon so lange auf dem Höhepunkt ihrer Macht, dass sich niemand mehr an die Zeiten erinnern konnte, zu denen das noch nicht der Fall gewesen war. Als normaler Gewöhnlicher begegnete man ihnen auch kaum, denn sie beschränkten sich auf das Regierungsviertel in der Innenstadt und die Vororte, wo breite Alleen von verschwiegenen Villen gesäumt wurden. Die übrigen Stadtviertel mit ihren engen Straßen voller kleiner Geschäfte, ihren öden Brachflächen, Fabriken und Backsteinwohnblocks überließen sie dem einfachen Volk. Zwar fuhren auch dort ab und zu Zauberer in ihren schwarzen Limousinen durch, aber im Großen und Ganzen erinnerten eigentlich nur die Wachkugeln, die hier und dort über die Straßen schwebten, an ihre Existenz.
    »Die Kugeln sorgen für unsere Sicherheit«, hatte Kittys Vater seiner Tochter eines Abends erklärt, als ein großer roter Ball sie geräuschlos von der Schule bis nach Hause begleitet hatte. »Du brauchst keine Angst vor ihnen zu haben. Wenn du ein braves Mädchen bist, tun sie dir nichts. Nur böse Menschen, Diebe und Spione, haben Grund, sich zu fürchten.« Aber Kitty hatte sich trotzdem gefürchtet und seit diesem Erlebnis waren öfters unheimlich schimmernde Kugeln in ihren Träumen aufgetaucht.
    Ihre Eltern wurden nicht von derlei Ängsten geplagt. Sie waren beide nicht sonderlich fantasiebegabt, sondern vielmehr mit der unerschütterlichen Überzeugung gesegnet, dass London eine ganz großartige Stadt sei, an deren Herrlichkeit auch sie ihren bescheidenen Anteil hätten. Die Überlegenheit der Zauberer nahmen sie für gegeben und akzeptierten ihre Herrschaft als eine Art Naturgesetz, ja, sie fanden diesen Zustand sogar beruhigend.
    »Für den Premierminister würde ich mich vierteilen lassen«, pflegte Kittys Vater zu sagen. »Das ist ein ganz außergewöhnlicher Mann.«
    »Er passt auf, dass die Tschechen nicht frech werden«, ergänzte Kittys Mutter. »Ohne ihn würden in Clapham längst Husaren über die Hauptstraße marschieren und das würde dir gar nicht gefallen, Kitty-Schätzchen, stimmt’s?«
    Wahrscheinlich nicht.
    Sie hatten zu dritt in einem Reihenhaus in Balham gewohnt, einem Vorort im Süden Londons. Es war ein kleines Haus, unten gab es ein Wohnzimmer, eine Küche und nach hinten raus ein winziges Bad, und oben war erst ein kleiner Treppenabsatz, und dann kamen zwei Schlafzimmer, eins für Kitty und eins für ihre Eltern. Auf dem Treppenabsatz stand ein hoher, schmaler Spiegel, vor dem sich an Wochentagen morgens nacheinander alle Familienmitglieder aufbauten, sich frisierten und die Kleidung ordneten. Vor allem Kittys Vater fummelte immer ewig an seinem Schlips herum. Kitty hatte nie begriffen, wozu er ihn unzählige Male aufmachte und dann wieder umband, den Stoff-streifen rein-, rauf-, rum-und wieder rausschlang und knotete, wo doch die Endergebnisse der verschiedenen Versuche höchstens minimale Unterschiede aufwiesen.
    »Das Äußere ist sehr wichtig, Kitty«, sagte er dann und begutachtete mit gefurchter Stirn den zwanzigsten Knoten. »In meinem Beruf ist der erste Eindruck entscheidend.«
    Kittys Vater war ein großer, drahtiger Mann, der seine festen Ansichten hatte und kein Blatt vor den Mund nahm. Er war Abteilungsleiter in einem großen Kaufhaus in der Innenstadt und sehr stolz auf seine verantwortungsvolle Tätigkeit. Er betreute die Lederwarenabteilung, die in einem geräumigen, niedrigen Saal untergebracht war, mit orangefarbenen Lampen gedämpft beleuchtet und mit teuren Taschen und Mappen aus den verschiedensten Ledersorten bestückt. Lederwaren waren Luxusartikel und das bedeutete, dass die überwiegende Zahl der Kunden Zauberer waren.
    Kitty war ein-oder zweimal dort gewesen, aber vom dumpfen Geruch des gegerbten Leders wurde ihr jedes Mal schwindlig.
    »Den Zauberern gehst du besser aus dem Weg«, sagte der Vater. »Es sind bedeutende Persönlichkeiten, die können es nicht leiden, wenn ihnen jemand zwischen den Beinen herumläuft, und seien es hübsche kleine Mädchen wie du.«
    »Woran erkennt man denn einen Zauberer?«, erkundigte sich Kitty. Sie war damals erst sieben und wusste es wirklich nicht.
    »Sie sind stets gut gekleidet, machen ernste, kluge Mienen und manche tragen hübsche Spazierstöcke. Sie

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