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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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hab’s genau gesehen.«
    »Ich hab aber schon wieder Hunger.«
    »Na und?«
    »Ich kann nich kämpfen, wenn ich nix zum Futtern krieg.« Plötzlich beugte Fred sich vor, riss die Hand hoch, etwas schwirrte durch die Luft und das Springmesser bohrte sich eine Handbreit über Stanleys Kopf in eine Mörtelfuge. Stanley hob langsam den Kopf und spähte zu dem noch zitternden Griff hoch. Er war ein bisschen grün im Gesicht.
    »Siehste?«, sagte Fred. »Mieser Wurf.« Er verschränkte die Arme.
    »Und alles bloß, weil ich Hunger hab.«
    »Ich fand den Wurf gar nicht so schlecht«, meinte Kitty.
    »Nich so schlecht? Ich hab doch nich getroffen!«
    »Gib ihm das Messer zurück, Stanley.« Kitty hatte auf einmal keine Lust mehr auf solche Gespräche.
    Stanley zerrte erfolglos an dem Messergriff, als sich die Geheimtür über dem Holzstapel wieder öffnete und Anne auftauchte. Der kleine Beutel, den sie mit hineingenommen hatte, war verschwunden.
    »Zankt ihr euch schon wieder?«, fragte sie bissig. »Kommt, Kinder.«
    Der Rückweg zum Laden war genauso nass wie der Hinweg zum Kellerversteck. Die allgemeine Stimmung sank auf den Nullpunkt. Als sie triefend und tropfend in den Laden traten, lief ihnen Nick mit vor Aufregung leuchtendem Gesicht entgegen.
    »Was ist los?«, fragte Kitty. »Was ist passiert?«
    »Hab grade eben ’ne Nachricht gekriegt«, schnaufte er. »Von Hopkins. Sie kommen irgendwann nächste Woche zurück und haben uns was ganz Wichtiges zu berichten. Ein neuer Auftrag. Doller als alles, was wir bis jetzt gemacht haben!«
    »Doller als das Ding in Westminster Hall?« Stanley klang skeptisch.
    Nick grinste. »Nix gegen Mart, aber… ja, doller als die Sache in Westminster Hall! Worums geht, steht zwar nich in Hopkins’ Brief, aber er schreibt, London wird Kopf stehn. Das isses, was wir immer wollten! Endlich unternehmen wir was, das richtig was bewirkt. Es is riskant, aber wenn wir’s hinkriegen, schreibt er, zeigen wir den Zauberern endlich mal, was ’ne Harke is! Dann is London nich mehr dieselbe Stadt!«
    »Wird ja auch Zeit«, sagte Anne. »Stanley, setzt du mal Teewasser auf?«

Bartimäus
15
    Schließt die Augen und stellt es euch gut vor: London im Regen. Graue Wasserwände stürzten vom Himmel und tosten mit einem Grollen, lauter als Kanonendonner, aufs Pflaster. Ein wütender Wind wehte den Regen hierhin und dorthin, fegte ihn unter Vordächer und Traufen, unter Simse und Söller und ersäufte jedes Schlupfloch in eisiger Gischt. Das Wasser war überall, pladderte auf den Asphalt, rauschte durch den Rinnstein, sammelte sich in Kellerecken und gurgelte in Gullys. Es überschwemmte die Kanalisation. Es schoss waagerecht durch Rohre, diagonal über Dachziegel, senkrecht Häuserwände hinab, färbte die Backsteine wie mit breiten Bächen von Blut. Es tropfte durch Balkendecken und Risse im Putz. Es hing als eisiger weißer Dunst in der Luft und unsichtbar in den Weiten des schwarzen Himmels. Es kroch in die Mauern der Häuser und die Knochen der fröstelnden Bewohner.
    In finsteren Gängen unter den Straßen schmiegten sich die Ratten aneinander und lauschten dem Widerhall des unablässigen Trommelns. In heruntergekommenen Reihenhäusern schlossen die Gewöhnlichen die Fensterläden, ließen sämtliche Lichter brennen und drängten sich mit dampfenden Teetassen in den Händen am Kaminfeuer. Sogar die Zauberer in ihren einsamen Villen flohen vor dem Regen. Sie verzogen sich in ihre Studierstuben, verrammelten die Eisentüren und gaben sich, umwölkt von wärmendem Räucherwerk, Träumen von fernen Ländern hin.
    Ratten, Gewöhnliche und Zauberer, alle saßen im Trockenen. Wer wollte es ihnen verdenken? Die Straßen waren menschenleer, ganz London war geschlossen. Es war kurz vor Mitternacht und das Unwetter tobte immer heftiger.
    Niemand, der halbwegs klar im Kopf war, setzte in einer solchen Nacht einen Fuß vor die Tür.
    Ähem.
    Irgendwo in Regen und Sturm liefen an einer Kreuzung sieben Straßen zusammen. In der Mitte stand ein Granitsockel und obendrauf ein massiger Mann zu Pferde. Der Mann schwenkte ein Schwert, sein Gesicht war zum Triumphschrei verzerrt. Das Pferd bäumte sich auf, die Hinterläufe gespreizt, die Vorderläufe schlugen wild in die Luft. Vielleicht sollte diese Pose tapferen Widerstand verkörpern, vielleicht wollten sich Ross und Reiter eben ins Schlachtgetümmel stürzen. Vielleicht versuchte der Gaul aber auch einfach nur, den Dickwanst auf seinem Rücken abzuwerfen, wer

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