Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
nicht vergleichen. Wir haben für unsere Ideale gekämpft.«
»Mir geht es nicht anders, aber wie dem auch sei«, er holte tief Luft, »ich gebe zu, dass ich mich eben unhöflich benommen habe.« Der Zauberer machte eine Handbewegung und sprach eine Entlassungsformel, der bedrohliche Schatten verflüchtigte sich. »Bitte sehr. Jetzt können wir uns unterhalten, ohne dass Sie Angst zu haben brauchen.«
Kitty sah ihm fest in die Augen. »Ich hatte keine Angst.«
Mandrake zuckte die Achseln. Er drehte sich erst nach der geschlossenen Kneipentür um und dann nach der Straße. Im Gegensatz zu seinem vorherigen anmaßenden Auftreten wirkte er mit einem Mal verunsichert, als wüsste er selbst nicht recht, was er jetzt tun sollte.
»Und?«, fragte Kitty. »Was geschieht normalerweise, wenn Sie jemanden verhaften? Ein bisschen Foltern? Verprügeln vielleicht? Was darf’s diesmal sein?«
Er seufzte. »Ich habe Sie nicht verhaftet, jedenfalls nicht offiziell.«
»Dann kann ich gehen?«
»Miss Jones«, fauchte er, »ich bin als Privatmann hier, nicht als Regierungsmitglied, aber das muss nicht so bleiben, wenn Sie nicht endlich mit dem theatralischen Getue aufhören. Offiziell gelten Sie als tot. Gestern habe ich zufällig erfahren, dass Sie noch am Leben sind. Davon wollte ich mich selbst überzeugen.«
»Wer hat Ihnen verraten, dass ich hier zu finden bin? Ein Dämon?«
»Nein. Das spielt auch keine Rolle.«
Kitty ging ein Licht auf. »Dann war es bestimmt Nick Drew.«
»Ich sagte doch, es spielt keine Rolle. Es ist ja wohl nicht verwunderlich, dass ich daran interessiert war, Sie ausfindig zu machen. Schließlich sind Sie ein Justizflüchtling und ein ehemaliges Mitglied der Widerstandsbewegung.«
»Darüber wundere ich mich ja auch nicht. Ich wundere mich, dass Sie mir nicht längst die Kehle durchgeschnitten haben.«
»Ich bin Minister, kein Mörder!«, rief der Zauberer in ungeheuchelter Empörung. »Es ist meine Pflicht, die Bevölkerung vor… vor Terroristen wie Ihnen und Ihren Freunden zu schützen.«
»Na klar, bei Ihnen ist die Bevölkerung ja in den besten Händen. Die eine Hälfte unserer jungen Leute wird in Amerika verheizt, die andere Hälfte bleibt im Lande und wird von der Polizei verdroschen. Wenn jemand mal den Mund aufmacht, fallen Ihre Dämonen über ihn her. In den Außenbezirken wimmelt es von Spitzeln. Es ist das reinste Paradies!«
»Ohne uns wären die Zustände noch viel, viel schlimmer!«, hielt Mandrake mit hoher, belegter Stimme dagegen. Er rang hörbar um Fassung. »Wir stellen unsere Fähigkeiten in den Dienst des Allgemeinwohls«, fuhr er gedämpfter fort. »Die Gewöhnlichen bedürfen der Führung. Zugegeben, die Zeiten sind ein bisschen unruhig, aber…«
»Ihre Fähigkeiten gründen sich auf Knechtschaft! Wie wollen Sie da dem Allgemeinwohl dienen?«
Der Zauberer schien ehrlich entsetzt. »Wir knechten doch keine Menschen! Bloß Dämonen.«
»Und das soll besser sein? Da bin ich anderer Meinung. Damit ist Ihr ganzes Tun unmoralisch!«
»Das stimmt nicht«, widersprach er leise.
»Es stimmt sehr wohl und das wissen Sie auch. Wieso sind Sie hergekommen? Was wollen Sie von mir? Den Widerstand gibt es längst nicht mehr.«
Mandrake räusperte sich. »Ich habe erfahren…« Er zog den Mantel enger um sich und blickte über den Fluss. »Jemand hat mir erzählt, Sie hätten mich vor dem Golem gerettet. Sie hätten meinetwegen Ihr Leben riskiert.« Er schielte zu ihr herüber, aber Kitty verzog keine Miene. »Man hat mir auch erzählt, Sie seien dabei umgekommen. Als ich dann erfahren habe, dass Sie noch leben, war ich… natürlich neugierig, was sich damals tatsächlich zugetragen hat.«
»Was wollen Sie hören? Wie ich das angestellt habe? Ja, ich habe Ihnen das Leben gerettet und ich muss verrückt gewesen sein. Ich habe den Golem aufgehalten, als er Ihnen den Schädel eintreten wollte, dann bin ich weggelaufen. Mehr gibt’s da nicht zu erzählen.«
Sie sah ihn an, er erwiderte den Blick mit blassem, maskenhaftem Gesicht. Zwischen ihnen fiel pladdernd der Regen.
Mandrake hüstelte. »Danke, das reicht schon. Aber eigentlich ging es mir weniger darum, wie, sondern warum Sie das getan haben.« Er steckte die Hände in die Hosentaschen.
»Keine Ahnung«, antwortete Kitty. »Ich habe wirklich keine Ahnung.«
»Ziehen Sie Ihren Mantel an«, sagte er, »Sie werden ja pitschnass.«
»Als würde Ihnen das was ausmachen.« Trotzdem schlüpfte sie hinein.
Er sah zu, wie sie
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