Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
Essen.«
»Ach bitte, erzählen Sie doch weiter.«
»Kommt nicht infrage. Ein paar andere Stümper haben es ebenfalls probiert, aber sie wurden alle verrückt oder noch Schlimmeres. Der einzige Zauberer, dem es angeblich geglückt ist, war Ptolemäus. Er bezieht sich in seinen ›Apokryphen‹ darauf, aber die Schilderung ist nicht gesichert. Er lässt durchblicken, dass man die Prozedur nur mithilfe eines gutwilligen Dämons durchführen kann, dessen Namen man aussprechen muss, damit sich die so genannte Pforte auftut. Das ist natürlich absurd. Wer vertraut schon einem Dämon? Höchstwahrscheinlich hat auch Ptolemäus bei seinem Selbstversuch beträchtlichen Schaden davongetragen, denn die meisten Quellen berichten, dass er bald darauf gestorben ist.«
Vertrauen. Das hatte Bartimäus immer wieder betont. Ptolemäus war bereit gewesen, ihm bedingungslos zu vertrauen. Die beiden hatten trotz aller Verschiedenheit eine enge Beziehung gepflegt. Kitty blickte an die Decke und rief sich ins Gedächtnis zurück, wie der Dschinn sie aufgefordert hatte, aus ihrem Bannkreis zu treten. Sie war der Aufforderung aus nahe liegenden Gründen nicht nachgekommen, weil sie befürchtet hatte, er werde sie umbringen. Es hatte ihr an Vertrauen gemangelt. Ihnen beiden.
Noch einmal empfand sie ohnmächtige Wut, dass sie Jahre ihres Lebens mit der Verwirklichung eines unerfüllbaren Traums vergeudet hatte. Sie rutschte von der Sofaarmlehne. »Macht es Ihnen wirklich nichts aus, wenn ich mir den Nachmittag freinehme, Sir? Ich glaube, ich brauche ein bisschen frische Luft.«
Als sie in die Diele ging und ihren Mantel holte, kam sie an einem Bücherstapel vorbei, den sie erst kürzlich geordnet hatte und der in die neu angeschafften Regale eingeräumt werden musste. Unter den Titeln befanden sich auch Werke aus dem Alten Orient, worin… Sie blieb stehen und überflog die Buchrücken. Ja, da war es, das dritte von oben. Ein schmales Bändchen, Ptolemäus’»Apokryphen«.
Bartimäus hatte behauptet, das Buch sei auf Griechisch verfasst und sie könne nichts damit anfangen. Sie ging ein paar Schritte weiter, dann blieb sie doch wieder stehen. Andererseits, wieso eigentlich nicht? Was war schon dabei?
Die alten Schnüfflergewohnheiten ließen sich nur schwer abstellen. Mit dem Buch in der Tasche verließ sie die Villa.
An jenem Abend hatte Kitty reichlich Zeit, gemächlich zum »Frosch« zu schlendern. Sie hatte gehofft, die Enttäuschung, die sie innerlich aufwühlte, durch einen Spaziergang zu lindern, aber sie fühlte sich nur noch elender. Die anderen Passanten schlurften mit verkniffenen, grämlichen Gesichtern und hochgezogenen Schultern vorüber, den Blick stur auf die Schuhspitzen gerichtet. Über den Straßen schwebten Wachkugeln, an größeren Kreuzungen lungerten mit überheblichen Mienen Nachtpolizisten herum, die eine oder andere Nebenstraße war abgesperrt. Nachdem die Unruhen die Innenstadt erreicht hatten, griffen die Behörden hart durch. Von fern hörte man Sirenengeheul.
Kitty ging noch langsamer. Es kam ihr vor, als drückte die Vergeblichkeit ihrer Bemühungen sie wie eine schwere Last. Geschlagene drei Jahre hatte sie in Büchereien und staubigen Zimmern zugebracht und so getan, als wäre sie eine Zauberin. Und wofür? Es hatte sich rein gar nichts geändert. Es würde sich niemals etwas ändern! Willkür lag wie eine Dunstglocke über London und nahm ihr und allen anderen die Luft zum Atmen. Die Minister machten, was sie wollten, und scherten sich nicht darum, was sie damit anrichteten, und sie selbst konnte nicht das Geringste dagegen unternehmen.
Im »Frosch« herrschte eine ähnlich bedrückende Stimmung. Der Schankraum war wieder aufgeräumt, alle Spuren der Verwüstung waren beseitigt. Wo der Dämon ein Stück aus dem Tresen gesprengt hatte, war ein neues, helleres Stück Holz eingesetzt, das sofort ins Auge fiel, aber George Fox hatte es mit ein paar Ansichtskarten und messingnem Pferdegeschirrschmuck notdürftig kaschiert. Er hatte die zerbrochenen Tische und Stühle ausgewechselt und auf den runden Brandfleck an der Tür einen Fußabtreter gelegt.
Seine Begrüßung fiel gedämpft aus. »Heut Abend müssen wir beide tüchtig ranklotzen, Clara. Ich hab noch niemanden gefunden, der… na ja, du weißt schon, der Sam ersetzt.«
»Nein, natürlich nicht.« Kittys Ton war freundlich, aber in ihr kochte es. Sie hätte schreien können. Stattdessen wrang sie ihren Wischlappen aus, als drehte sie einem
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