Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
mit den Ärmeln kämpfte. Als sie den Mantel zugeknöpft hatte, räusperte er sich abermals. »Also, was immer Sie dazu bewogen hat, ich glaube, ich sollte mich bei Ih…«
»Lassen Sie’s gut sein. Ich will keinen Dank. Nicht von Ihnen.«
»Aber…«
»Ich habe mich ganz spontan dazu entschlossen, und falls es Sie interessiert, ich bereue es inzwischen jedes Mal, wenn mir jemand Ihre grässlichen, verlogenen Broschüren hinhält oder wenn ich an Ihren Bühnen vorbeikomme, wo irgendwelche Schauspieler Ihre Lügenmärchen aufführen. Also sparen Sie sich Ihren Dank, Mr Mandrake.« Sie fröstelte, es regnete immer stärker. »Wenn Sie sich unbedingt bei jemandem bedanken wollen, bedanken Sie sich bei Bartimäus. Er hat mich damals überredet, Ihnen das Leben zu retten.«
Trotz der Dunkelheit erkannte sie, dass er baff war. Er richtete sich hoch auf und erwiderte heiser: »Bartimäus hat Sie dazu überredet? Das kann ich nicht glauben.«
»Warum nicht? Weil er ein Dämon ist? Ja, ich weiß schon, es klingt nicht besonders glaubhaft. Aber er hat mir damals verraten, wie man einen Golem aufhält, er hat mich noch einmal zurückgerufen, als ich schon wegrennen wollte. Ohne ihn wären Sie jetzt tot. Aber machen Sie sich deswegen keine Gedanken, er ist ja bloß ein Diener.«
Der Zauberer schwieg eine Weile, dann sagte er: »Ich wollte Sie sowieso seinetwegen etwas fragen. Aus irgendeinem Grund scheint Bartimäus Ihnen wohl gesinnt zu sein. Wie kommt das?«
Kitty lachte herzlich. »Wir sind einander nicht wohl gesinnt.«
»Nicht? Weshalb hat er mir dann weisgemacht, Sie wären tot? Er hat behauptet, der Golem hätte Sie umgebracht, deshalb habe ich auch nicht mehr nach Ihnen gefahndet.«
»Hat er das behauptet? Das ist mir neu.« Kitty blickte über den schwarzen Fluss. »Vielleicht liegt es daran, dass ich ihn einigermaßen fair behandelt habe. Dass ich ihn zu nichts gezwungen habe und auch nicht vorhatte, ihn Jahr um Jahr ununterbrochen in Anspruch zu nehmen, bis von seiner Substanz nichts mehr übrig ist.« Sie biss sich auf die Lippe und warf dem Zauberer einen Seitenblick zu.
Weil es so dunkel war, konnte sie seine Augen nicht erkennen. »Und wie kommt es, bitte schön, dass Sie von solchen Dingen überhaupt eine Ahnung haben?«, fragte er. »Sie sind Bartimäus doch seither nicht mehr begegnet, oder etwa doch?«
Kitty ging langsam rückwärts, bis sie an der Ufermauer stand. Der Zauberer kam hinterher…
Da sauste etwas durch die Luft, Regentropfen verpufften und verdampften zischend, und über dem Fluss materialisierte sich eine kleine, rosig schimmernde Kugel, aus der leise Orchesterklänge kamen. Mandrake fluchte leise und blieb stehen.
In der Kugel erschien flackernd ein pausbäckiges Gesicht und rief mit knisternder Stimme: »Da sind Sie ja, John! Sie sind spät dran! Die Musiker stimmen schon ihre Instrumente! Beeilen Sie sich!«
Der Zauberer verneigte sich knapp. »Verzeihen Sie, Quentin, ich wurde aufgehalten.«
»Dann aber fix jetzt!« Das Gesicht gönnte Kitty einen flüchtigen Blick. »Bringen Sie Ihre Freundin ruhig mit. Ich reserviere noch einen Platz. In zehn Minuten geht’s los, John, in zehn Minuten!«
Die Kugel zischte, trübte sich und verschwand. Regen fiel unaufhörlich auf die Themse.
Kitty und Mandrake sahen einander verdutzt an. »Mir scheint, wir müssen unsere Unterhaltung ein andermal fortsetzen. Gehen Sie gern ins Theater, Miss Jones?«
Kitty verzog das Gesicht. »Nicht besonders.«
»Ich auch nicht.« Er deutete schwungvoll auf die Straße. »Geteiltes Leid ist halbes Leid.«
Bartimäus
19
Wir planten die Razzia im Ambassador mit militärischer Präzision und größtmöglicher Gründlichkeit. Zehn Minuten Gezänk in einer Telefonzelle und der Plan stand.
Wir waren als Spatzen von unserem Herrn losgeflogen und hatten unterwegs auch den Park überquert, in dem mir jüngst dieses dumme Missgeschick passiert war. Der Glaspalast, die Pagode, der unselige See, alles blinkte unfreundlich im letzten Abendlicht. Die meisten Laternen waren aus, die üblichen Menschenmassen fehlten, nur hier und da bewegten sich kleine Grüppchen Gewöhnlicher in unbekannter Absicht über den Rasen. Ich konnte einige Absperrbänder erkennen, umherflitzende Kobolde, ungewöhnliche Betriebsamkeit – dann überflogen wir St James und ließen uns in weit ausholenden Kreisen auf das Hotel herab.
Das Ambassador war eine ziemlich noble Hütte, ein schmales graues, von ausländischen Botschaften und
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