Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
Großbritanniens und des ganzen Weltreichs, erhob sich mit feuchten Augen und klatschte begeistert. Hinter seinem Rücken wurden drei seiner Leibwächter überwältigt und ins Jenseits befördert. Devereaux pflückte sich eine Rose vom Revers und warf sie dem Jüngling auf der Bühne zu. Ein Dämon trat an ihn heran. Devereaux merkte nichts, sondern verlangte lauthals nach einer Zugabe. Der Jüngling auf der Bühne bückte sich, hob die Rose auf und schwenkte sie mit jähem Enthusiasmus in Richtung der Staatsloge. Im selben Augenblick trat das Geschöpf hinter dem Premierminister vor, der Jüngling schrie auf, verlor das Gleichgewicht, kippte über die Rampe in den Orchestergraben und landete im Trichter der Tuba. Devereaux wich erschrocken zurück und prallte gegen den Dämon. Er drehte sich um, wimmerte kurz, dann schlossen sich schwarze Schwingen über ihm.
Für Nathanael geschah das alles blitzschnell. Die Kobolde unten waren inzwischen in die vordersten Reihen vorgedrungen. Sämtliche Zuschauer waren gefesselt und geknebelt und hatten einen frohlockenden Kobold auf der Schulter sitzen.
Nathanaels Blick streifte Farrars Loge. Auf ihrem Sessel hockte ein feixender Dämon mit einem zappelnden, verschnürten Bündel über der Schulter. Nathanael sah sich weiter um und erhaschte einen Blick auf den einzigen Zauberer, der sich ansatzweise zur Wehr setzte.
Mr Sholto Pinn hatte gedankenverloren in seiner Loge gesessen und seine Linsen nicht herausgenommen, weil er nämlich schlicht keine besaß. Er hatte Makepeace’ Anweisung ignoriert und trug wie immer ein Monokel im linken Auge. Ab und zu nahm er es heraus und putzte es. Als die Kobolde hereingekommen waren, war er gerade wieder einmal damit beschäftigt gewesen, hatte das Monokel aber rechtzeitig wieder aufgesetzt, um zu erkennen, was los war.
Er stieß eine Verwünschung aus, packte seinen Spazierstock und drehte sich gerade rechtzeitig um, als drei ungeschlachte Gestalten auf Zehenspitzen in seine Loge getrippelt kamen. Sholto hob sofort den Stock und schoss einen Plasmablitz auf sie ab. Ein Dämon sackte aufjaulend zusammen und verpuffte, die beiden anderen konnten ausweichen, einer flüchtete sich unter die Decke, der andere duckte sich auf den Boden. Der Stock entlud sich abermals. Ein gleißender Strahl traf den Dämon an der Decke und er fiel verstümmelt und wimmernd auf einen Sessel. Gleichzeitig sprang sein Kumpan auf, entriss dem alten Mann den Stock und drosch damit auf ihn ein, bis Sholto zusammenbrach.
Makepeace hatte das Scharmützel mit verdrossener Miene beobachtet. »Es ist doch immer dasselbe«, grummelte er. »Das perfekte Kunstwerk gibt es einfach nicht. Ein jedes Ding hat seinen Schönheitsfehler. Aber von Pinn mal abgesehen, können wir die Vorstellung als ›gelungen‹ verbuchen.«
Das Messer immer noch an Nathanaels Gurgel, stand der Dichter auf und trat an die Brüstung, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Unendlich vorsichtig wandte Nathanael den Kopf und fing Kittys Blick auf. Da das Mädchen keine Linsen trug, hatte sie erst mitbekommen, dass etwas nicht stimmte, als Pinns Plasmablitze aufgeflammt waren und die siegreichen Dämonen einer nach dem anderen auch auf der ersten Ebene sichtbar wurden. Sie starrte mit aufgerissenen Augen zu Nathanael herüber und sah erst jetzt Makepeace und das Messer. Verwirrung, Zweifel und Ungläubigkeit malten sich auf ihrem Gesicht. Nathanael hielt ihren Blick fest, bewegte stumm die Lippen, formulierte tonlose Bitten, hob und senkte ausdrucksvoll die Augenbrauen. Wenn sie das Messer wegschlug, könnte er aufspringen, sich auf Makepeace stürzen und ihm die Waffe entreißen. Aber es musste sofort passieren, solange der Verrückte noch abgelenkt war.
Kitty sah erst Makepeace und dann wieder Nathanael an und runzelte die Stirn. Nathanael spürte, wie ihm der Schweiß die Schläfe herunterlief. Es hatte keinen Zweck, sie würde ihm nicht helfen. Warum auch? Sie verachtete ihn.
Makepeace beugte sich über die Brüstung und kicherte angesichts der demütigenden Szenen im Zuschauerraum zufrieden vor sich hin. Bei jedem Kichern drückte sich die Messerklinge tiefer in Nathanaels Adamsapfel.
Dann sah Nathanael Kitty kaum merklich nicken. Sie duckte sich zum Sprung, er befeuchtete sich die Lippen und machte sich ebenfalls bereit…
Kitty Jones stürzte vor. Sofort traf sie ein grüner Blitz und schleuderte sie rücklings gegen die Brüstung, die bei dem Aufprall krachte und splitterte.
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