Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
Söldner hielt inne, blickte mit hellblauen Augen zu Nathanael auf, zog Kitty den Kopf bedächtig noch weiter in den Nacken und setzte den Dolch an.
»Halt, habe ich gesagt!«, schnauzte ihn der junge Zauberer an.
Die Verschwörer sahen belustigt zu. Rufus Lime verzog das blasse, feucht glänzende Gesicht. »Ihre Lage ist wohl kaum danach, dass Sie sich hier aufspielen könnten, Mandrake.«
»Ganz im Gegenteil, Rufus. Quentin hat mich aufgefordert, mich Ihnen anzuschließen, und nachdem ich Mr Hopkins’ verblüffende Vorführung gesehen habe, komme ich dieser Aufforderung nur zu gern nach. Das Versuchsergebnis hat mich voll und ganz überzeugt. Deshalb gehöre ich ab sofort zu Ihnen.«
Quentin Makepeace knöpfte sich den knallgrünen Gehrock auf und musterte Nathanael abschätzend. »Sie wollen sich an unserem kleinen Komplott beteiligen?«
Nathanael gab sich gelassen. »Allerdings. Ihr Plan ist ein Geniestreich, das Werk eines wahren Künstlers. Schade, dass ich nicht besser aufgepasst habe, als Sie mir das Experiment mit dem Gewöhnlichen vorgeführt haben, aber das kann ich ja nachholen. Bis dahin, um es gleich zu sagen, Quentin, ist das Mädchen meine Gefangene. Ich habe… etwas Besonderes mit ihr vor. Außer mir darf sie niemand anrühren.«
Makepeace rieb sich das Kinn, antwortete jedoch nicht. Der Söldner ließ die Finger auf dem Dolchgriff spielen. Kitty starrte vor sich hin. Nathanael schlug das Herz bis zum Hals.
»Meinetwegen«, brummte Makepeace dann. »Das Mädchen gehört Ihnen. Lass sie los, Verroq. Ihre Entscheidung freut mich, John, und bestätigt meine hohe Meinung von Ihnen. Trotzdem: Reden kann jeder! Auf Taten kommt es an! Wir nehmen Ihnen gleich die Fesseln ab, und dann möchten wir sehen, wie Sie sich mit einem Dämon Ihrer Wahl vereinen. Aber erst muss ich noch Vorbereitungen für meine eigene Beschwörung treffen! Burke, Withers! Räumen Sie die Teppiche weg! Wir müssen die Pentagramme herrichten!«
Er wandte sich ab und erteilte noch mehr Anweisungen. Ohne eine Miene zu verziehen, ließ der Söldner Kittys Haar los. Nathanael, der sich der feindseligen Blicke der anderen bewusst war (besonders Lime und Jenkins beobachteten ihn mit unverhohlenem Argwohn), beeilte sich nicht, ihr beizustehen. Sie blieb einfach mit hängendem Kopf auf dem Boden hocken, die Haare im Gesicht. Der Anblick versetzte ihm einen Stich.
Schon zwei Mal wäre Kitty Jones an diesem Abend beinahe gestorben und beide Male nur seinetwegen. Weil er sie aufgestöbert hatte, weil er sie aus ihrem friedlichen neuen Leben entführt hatte, um seine egoistische Neugier zu befriedigen.
Nachdem das Inferno sie getroffen hatte, hatte Nathanael sie für tot gehalten. Kummer und Schuldgefühle hatten ihn überwältigt und gelähmt. Trotz der barschen Warnung des Söldners hatte er sich neben sie gekniet, und erst da hatte er gemerkt, dass sie noch atmete. In der folgenden Stunde, in der sie bewusstlos war, hatte er sich immer mehr geschämt und allmählich begriffen, was er mit seinem Leichtsinn angerichtet hatte.
Schon seit Tagen hatte er sich Schritt für Schritt von der Person Mandrake distanziert, von jener Rolle, die ihm jahrelang zur zweiten Natur geworden war, aber erst nach den Vorfällen im Theater war aus dieser Distanziertheit eine klare Absage geworden. Die beiden festen Überzeugungen, die bis dahin sein ganzes Denken und Handeln bestimmt hatten, nämlich dass nichts und niemand der Regierung etwas anhaben könne sowie der feste Glaube an die grundsätzliche Redlichkeit seiner eigenen Motive, lagen in Scherben. Auf die Regierung war ein erfolgreicher Anschlag verübt worden und durch seine Schuld hatte sich jemand an Kitty vergriffen. Beides war auf Makepeace’ Veranlassung geschehen und in dessen Kaltblütigkeit und Gleichgültigkeit erkannte sich Nathanael mit Grausen wieder.
Anfangs hatte ihn die Ungeheuerlichkeit von Makepeace’ Verbrechen über dessen wahre Beweggründe hinweggetäuscht. Die theatralische Inszenierung des Staatsstreichs, die widernatürliche Vorstellung, dass sich ein Dämon mit einem Menschen vereinte, das ganze Geschwätz über Genie und Kreativität hatte von einer ganz banalen Wahrheit abgelenkt, nämlich der, dass auch Makepeace nur ein gefühlloser, ehrgeiziger, machthungriger Mann war. Genau wie Lovelace, Duvall und – es überlief Nathanael kalt – wie er selbst an jenem Abend, als er in seinem Wagen gesessen und sich ausgemalt hatte, wie er sich den Stab aneignen und dem
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