Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
gluckerte. Noch nie war ihr bewusst geworden, was für einen Lärm das alles machte, wie viele Organe sich in ihrem Körper drängten. Das ganze Gebilde kam ihr schrecklich kompliziert vor. Wie sollte sie es lenken? Schon der Gedanke, sich zu bewegen, überforderte sie restlos.
Ganz allmählich ließ ihre Verwirrung nach und sie wurde sich vage ihrer Gliedmaßen bewusst: die angezogenen Knie, die überkreuzten Füße, die vor der Brust verschränkten Hände. Sie stellte sich das alles vor und dabei empfand sie plötzlich Zuneigung zu ihrem Körper und war dankbar für ihn. Sie fühlte sich wohler und wacher, spürte, dass sie auf hartem Untergrund lag und nur unter dem Kopf ein weiches Kissen hatte. Ihr fiel wieder ein, wo sie war – und wo sie herkam.
Kitty schlug die Augen auf. Alles war verschwommen. Erst ließ sie sich von den Flecken aus Licht und Schatten irreführen und glaubte, wieder am Anderen Ort zu sein, dann wurde das Bild allmählich schärfer, fügten sich Umrisse und Flächen zu einer im Sessel sitzenden Gestalt zusammen.
Die Haltung des Mannes verriet äußerste Erschöpfung. Sein Kopf war zur Seite gekippt, die Beine waren ausgestreckt. Sein Atem ging rasselnd. Die Augen hatte er geschlossen.
Um den Hals trug er eine Kette mit einem ovalen Goldanhänger, in dessen Mitte ein dunkelgrüner Stein prangte. Der Stein hob und senkte sich bei jedem Atemzug. Zwischen seinen Knien klemmte schräg ein langer Holzstab. Er hatte die eine Hand locker darumgelegt, die andere hing schlaff über der Armlehne.
Nach einer Weile fiel ihr wieder ein, wie er hieß. »Nathanael?«
Ihre Stimme war so leise, dass sie nicht wusste, ob sie tatsächlich einen Ton von sich gegeben oder nur laut gedacht hatte, aber es schien gewirkt zu haben. Der Zauberer ächzte, schnaufte, seine Arme und Beine zuckten wie von einem Stromstoß, der Stab fiel auf den Boden. Der Mann stürzte herbei und kniete neben ihr nieder.
Sie versuchte zu lächeln. Es fiel ihr schwer, denn das Gesicht tat ihr weh. »Hallo.«
Der Zauberer antwortete nicht, sondern starrte sie nur an.
»Da ist ja der Stab«, sagte sie und: »Ich hab einen ganz trockenen Hals. Gibt’s hier irgendwo Wasser?«
Immer noch keine Antwort. Ihr fiel auf, dass seine Haut rot und wund war, wie wettergegerbt. Er schaute sie gebannt an, ging aber nicht auf ihre Bitte ein. Kitty wurde sauer.
»Mach mal Platz«, fuhr sie ihn an, »ich will aufstehen.«
Sie spannte den Bauch an, drückte die Hand auf den Boden und wollte sich hochstemmen. Ein Gegenstand rutschte ihr aus den Fingern und fiel mit dumpfem Scheppern auf die Dielen. Ihr wurde übel, und es kam ihr vor, als hätten sich ihre Muskeln in Pudding verwandelt.
Ihr Kopf fiel wieder aufs Kissen. Dass sie so kraftlos war, machte ihr Angst. »Nathanael…«, setzte sie wieder an, »was…?«
Endlich reagierte er. »Ist schon gut. Bleib einfach liegen.«
»Ich will aber aufstehen.«
»Das würde ich an deiner Stelle bleiben lassen.«
»Hilf mir sofort hoch!« Die Wut kam von der Angst, die sich allmählich in Panik verwandelte. Diese Kraftlosigkeit war nicht normal. »Ich will nicht hier rumliegen. Was ist los? Was ist mit mir passiert?«
»Bleib einfach liegen, dann wird es schon wieder.« Es klang nicht besonders überzeugend. Kitty versuchte es noch einmal, stemmte sich ein Stück hoch und brach fluchend wieder zusammen. Jetzt wurde auch der Zauberer wütend. »Von mir aus! Also los. Du selber machst gefälligst gar nichts. Deine Beine sind noch nicht – hab ich’s dir nicht gesagt? Mach doch ein Mal, was ich sage!« Er packte sie unter den Achseln, zog sie hoch, schwenkte sie herum und zerrte sie zum Sessel. Ihre Beine schleiften über den Boden, die Füße scharrten über das Pentagramm. Dann wurde Kitty ohne viel Federlesens auf den Sessel gepackt und halbwegs aufrecht hingesetzt. Der Zauberer stand keuchend vor ihr.
»Zufrieden?«
»Noch nicht ganz. Was ist mit mir passiert? Warum kann ich nicht laufen?«
»Das weiß ich auch nicht, Kitty.« Er betrachtete seine abgewetzten, viel zu großen Stiefel und dann das leere Pentagramm. »Als ich die Tür aufgebrochen habe, war es hier drin bitterkalt. Ich konnte bei dir keinen Puls feststellen, geatmet hast du auch nicht, du hast einfach nur dagelegen. Ich dachte schon… also diesmal dachte ich wirklich, du wärst tot, aber dann…« Er hob den Kopf. »Nun erzähl schon. Warst du…?«
Sie sah ihn einfach nur stumm an.
Seine Züge glätteten sich. Fassungsloses
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