Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
verdutzt. »Wie das?«
»Der Zauberer hat mich freiwillig eingelassen, deshalb kann er mich auch wieder fortschicken.«
»Aber sein Verstand…«
»Ist völlig intakt. Wir teilen brüderlich. Was zugegebenermaßen nicht ganz einfach ist. Allzu viel gibt es da nämlich nicht zu teilen.«
Jetzt meldete sich Nathanael zu Wort. »Ich kann das bestätigen. Wir haben uns zusammengetan.«
War Faquarl schon überrascht gewesen, als ich ihn angesprochen hatte, war er jetzt wie vom Schlag getroffen. Ein solches Arrangement hätte er nicht im Traum für möglich gehalten.
»Der Mensch hat seinen Verstand behalten? Wer ist dann von euch beiden der Herr? Wer von euch beiden hat das Sagen?«
»Keiner«, erwiderte ich.
»Wir sind gleichberechtigt«, bekräftigte Nathanael.
Faquarl schüttelte beinahe bewundernd den Kopf. »Erstaunlich. In seiner Widernatürlichkeit geradezu einzigartig. Beziehungsweise fast, denn dieser Knabe in Alexandria, mit dem du damals so dicke warst, Bartimäus, hätte so was bestimmt klasse gefunden, stimmt’s?« Er verzog angewidert den Mund. »Sag mal, fühlst du dich durch so eine enge Verbindung eigentlich nicht besudelt?«
»Eigentlich nicht. Sie ist nicht enger als deine, außerdem kann ich jederzeit wieder heim.«
»Herrje! Wie kommst du denn darauf?« Faquarl hob wieder die Hand, aber wir kamen ihm zuvor. Die ausführliche Unterhaltung hatte uns Gelegenheit gegeben, uns von dem Sturz zu erholen, wir waren wieder voll da. Nathanael hatte schon die Fingerkuppen auf Faquarl gerichtet. Der graugrüne Rüttler erwischte seinen Schild frontal, und obwohl Faquarl nicht verletzt war, verlor er doch das Gleichgewicht, und seine Detonation fuhr in den Boden. Inzwischen hatte ich uns aufgerappelt und wir sprangen mit einem Riesensatz über die aufspritzenden Erdbrocken hinweg und landeten vor dem Stab. Nathanael hob ihn auf und wir fuhren blitzschnell herum wie eine zustoßende Giftnatter.
Faquarl stand, von den Lichtern aus dem Glaspalast beschienen, mit halb erhobener Hand auf dem Parkweg. So schnell wir auch reagiert hatten, er war doch eine Spur schneller. Manchmal frage ich mich, ob er uns schon von hinten hätte erwischen können, als wir uns nach dem Stab bückten, ihn aber noch nicht in der Hand hielten, aber vielleicht war er noch ein bisschen benommen von unserem Rüttler, wer weiß. Wir wechselten einen langen Blick.
»Du hast eine bedeutende Entdeckung gemacht«, sagte Faquarl. »Leider kommt sie in meinem Fall zu spät.«
Er setzte den massigen Körper in Bewegung. Ich weiß nicht, was er vorhatte, und unternahm nichts, spürte aber, dass der Junge das Kommando übernommen hatte. Ein gleißender Blitz, der sofort wieder erlosch – das war Faquarls Ende.
Schwing die Hufe, befahl der Junge. Da kommen Leute und wir haben noch was vor.
36
I Kitty
Kitty hatte Glück, dass ihre Truppe hauptsächlich aus Zauberern der unteren Stufen bestand, weshalb wenigstens einige davon Auto fahren konnten. In der Tiefgarage unter der Westminster Hall standen genug Limousinen, die zugehörigen Schlüssel fanden sich im Aufenthaltsraum der Chauffeure. Als sechs Autos in der menschenleeren Straße vor dem Gebäude vorfuhren, hatten Kitty und die anderen sämtliche Waffen zusammengeklaubt, die sie auftreiben konnten, die Beschwörung weiterer Kobolde abgeschlossen und warteten schon vor der Tür. Sie stiegen jeweils zu viert in ein Auto und fuhren, die Dämonen im Schlepptau, im Konvoi ab.
Sie kamen nicht weit. Auf halber Strecke lag ein umgestürztes Kriegerdenkmal quer über der Straße und blockierte den Weg. Die Wagen mussten umständlich wenden, fuhren zum Parliament Square zurück und bogen nach rechts in Richtung St James’s Park ab.
Im Gegensatz zur Whitehall, die gähnend leer war, wimmelte es südlich vom Park nur so von Menschen. Man hörte Explosionen, Lichter blitzten auf, Wölfe heulten. Aus allen Nebenstraßen quollen Menschenscharen, als wäre irgendwo ein Damm gebrochen, überschwemmten die Fahrbahn und schwappten wie eine Flutwelle auf die Regierungsfahrzeuge zu.
Kitty saß im ersten Wagen auf dem Beifahrersitz und bekam es plötzlich mit der Angst zu tun. »Alles raus!«, rief sie, »es wird brenzlig!«
Der Fahrer schaltete sofort, stellte den Motor ab und riss die Tür auf, Kitty und die Zauberer stürzten aus den Autos und brachten sich in Sicherheit. Sekunden später umspülte die Menge mit wütenden Blicken und von Entsetzen und Verzweiflung verzerrten Gesichtern die
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