Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
»Tschüss dann.«
Nathanael riss den Mund zum Protestschrei auf, aber ich kam ihm zuvor. »Hallo Faquarl.«
Die Hand erstarrte, die tödlichen Strahlen wurden nicht entfesselt.
In Hopkins’ Augen flackerten hellblaue Flammen. »Bartimäus?«, fragte er unsicher.
»Ja, ich mal wieder.«
»Wie… wie…?« Das war echt ein Ding. Zum ersten Mal seit über dreitausendfünfhundert Jahren war es mir gelungen, Faquarls unerschütterliche Selbstsicherheit durch mein Erscheinen ins Wanken zu bringen. Er rang nach Worten. »Wie ist das möglich? Ist das ein Trick… eine akustische Täuschung… ein Trugbild?«
»Nö. Ich bin hier drin.«
»Ausgeschlossen!«
»Wer sonst kennt die Wahrheit über Dschingis Khans Tod? Über die vergifteten Träubchen, die vor der Nase seines Dschinns ins Zelt des Heerführers geschmuggelt wurden?« 7
(Ich möchte hier nicht näher darauf eingehen. Es war nur ein kleiner Auftrag, damals in Asien, und es ist schon ewig her. )
Faquarl blinzelte. »Du… du bist es tatsächlich«, schnaufte er.
»Jetzt bin ich mal dran, dich zu verblüffen, alter Freund, und ich möchte kurz anmerken, dass der Großteil eurer Truppe, während du und Nouda euch da drin vergnügt habt, schon vernichtet ist, und zwar von mir.«
Ich spürte, wie Nathanael sich wand. Es behagte ihm nicht, wehrlos am Boden zu liegen, sein Selbsterhaltungstrieb drängte ihn, sich auf zurichten. Warte, hielt ich ihn zurück.
»Elender Verräter!« Faquarl hauste schon so lange in Hopkins, dass er sich wie ein Mensch die Lippen leckte. »Na und? Die Welt ist voller Menschen, und es gibt genug Geister, um alle umzupolen. Aber was du da treibst – deine eigenen Kameraden zu töten, deinen Peinigern zu helfen… Beim bloßen Gedanken daran wird meiner Substanz ganz schwummerig.« Er ballte die Fäuste und bekam vor Erregung eine schrille Stimme. »Wir beide haben miteinander schon viele Kämpfe ausgefochten, Bartimäus, aber niemals freiwillig, sondern immer nur auf Befehl unserer launenhaften Herren. Jetzt, da endlich wir die Herren sind und gemeinsam feiern sollten, jetzt lässt du dich ohne Not zu diesem schändlichen Verrat herab! Du, Sakhr al-Dschinni! Wie rechtfertigst du diese Entscheidung?«
»Ich ein Verräter?« Ich hatte ihn absichtlich eine Weile reden lassen, um nach dem Sturz wieder zu Kräften zu kommen, aber das ging entschieden zu weit. Ich raffte mich zu einem Gebrüll auf wie damals, da ich als heulender Wendigo durch die nordamerikanischen Kiefernwälder streifte und die Krieger sich angstschlotternd in ihren Zelten aneinander drängten. »Du bist es doch, der dem Anderen Ort ein für alle Mal den Rücken gekehrt hat! Du bist der eigentliche Verräter! Du verlässt deine Heimat und stiftest auch noch andere Wesenheiten an, sich in diesen Knochengerippen einzunisten! Und wozu? Was hoffst du, in dieser trostlosen Ödnis zu finden?«
»Rache«, raunte Faquarl. »Hier ist unser einziger Herr die Rache. Die Rachsucht lockt uns her und gibt unserem Dasein einen Sinn.«
»›Sinn‹ ist etwas Menschliches«, entgegnete ich ruhig. »Unsereiner hat dergleichen nie nötig gehabt. Der Körper, den du bewohnst, ist für dich keine bloße Erscheinungsform mehr, stimmt’s? Er soll dich nicht einfach nur vor Schmerzen schützen. Du möchtest nichts lieber, als so zu werden wie dein Wirt.«
Seine Augen loderten entrüstet auf, wurden aber sofort wieder stumpf. »Mag sein, Bartimäus, mag sein.« Er sprach jetzt leise und versonnen und tätschelte seine Brust unter dem zerknitterten Jackett. »Unter uns gesagt, gebe ich durchaus zu, dass meinem momentanen Zustand ein gewisses Unbehagen anhaftet, mit dem ich nicht gerechnet habe. Ich rede nicht von den üblichen bohrenden Schmerzen, die wir so lange ertragen mussten, sondern von einer Art Jucken, einer inneren Leere, die auch das ganze Gemetzel nicht füllen kann, jedenfalls bis jetzt nicht.« Er grinste schief. »Aber das kommt bestimmt noch.«
»Dass du dich leer fühlst, liegt daran, dass du etwas verloren hast, nämlich den Bezug zum Anderen Ort.«
Faquarl blickte mich schweigend an, dann entgegnete er bedeutungsvoll: »Wenn dem so wäre, hast du ihn genauso verloren. Du bist genauso ein Schmarotzer wie ich, Bartimäus, wie du da in dem jungen Zauberer herumspukst. Wie kommst du überhaupt dazu, wo du so etwas doch angeblich verabscheust?«
»Ich habe eine Rückfahrkarte. Ich habe nicht alle Brücken hinter mir abgebrochen.«
Die Flammenaugen verengten sich
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