Bartstoppelkuesse
späten Nachmittag schaffte es Jana endlich, aus Berlin noch bei mir aufzuschlagen. Ich war froh, so konnte ich die Gedanken an Tom verdrängen und kam nicht auf die Idee, die Schnipsel wieder aus dem Papierkorb zu fischen und mit Tesa zusammen zu kleben.
Janas fröhliches Gesicht hatte mir gefehlt. Ich knuddelte sie und ging mit ihr in die Küche und gab ihr etwas zu futtern. Das Kerzenanzünden schenkten wir uns, drehten ein wenig am Hartweizengrieß herum und wirbelten die CDs am Weihnachtsbaum durch die Gegend. Nach einer Stunde hatten wir zwei Flaschen Wein intus und schwelgten in Erinnerungen aus den Achtzigern.
Immerhin hatten wir schon gemeinsam die Schulbank gedrückt. Jana erzählte mir, dass sie seit neuestem ein Korsett tragen musste wegen ihrer Rückenprobleme. Obwohl, eigentlich sollte jede kokette Frau mindestens ein Korsett im Schrank haben für die ganz besondere Gelegenheit. Auch ohne Rückenschmerzen!
„Gut...“, sagte Jana, „ Wir stellen uns vor, wir treffen uns in einem Lokal. Ich trage Nylons, hohe Schuhe, mein Korsett und bin etwas größer als du. Was tust du?“
Weihnachten. Es war total schön, dass diese beschwipste Berlinerin meinen Wohnungsblues mit mir teilte und ich nicht alleine am Fest der Liebe sein musste. Ich schaute Jana leicht verschwommen an und musste an all die wilden Verrücktheiten denken, die wir schon erlebt hatten.
Hundert Fußballspiele mit Hertha in der Fankurve hatten wir erlebt, wir waren Motorradrennen auf der Avus gefahren und hatten als einzige Mädels Eishockey gespielt. Als Jana ihren Gerd kennen gelernt hatte, sagte sie ihm: “Wenn du mich willst, dann musst du auch mit Scarlett auskommen, denn sie ist meine beste Freundin.“ Seit fünf Jahren waren sie nun geschieden. Er mochte mich wohl nicht!
In Millionen Nächten hatten Jana und ich zusammen gelacht und gepichelt, insbesondere nach gelungenen Präsentationen in der Werbeagentur, in der wir beide damals gemeinsam gearbeitet hatten. Wichtig war nur, dass wir zusammen zum Kotzen gingen und unsere Deos nicht versagten.
„Mensch...“, rief ich lallend. „ Weißt du noch… Kurt?“
Wir kriegten einen Hustenanfall vom Lachen und schlugen uns gegenseitig auf die Schulter. Das war eben so. Immer wenn der Name Kurt fiel, mussten wir prusten und glucksen. Wir hatten eine gemeinsame Erinnerung an einen Song von Frank Zander, die ich hier nicht wirklich preisgeben kann.
Ich ging mit Jana in meine Speisekammer und wir machten uns an meinem beachtlichen Weinvorrat zu schaffen.
25. Dezember
Ich wachte gegen elf Uhr mit einem beschissenen Brummschädel auf. Jana hatte in der Nacht auf den Bettvorleger gekotzt und vergeblich versucht, die Spuren zu beseitigen.
Frohe Weihnachten!
Drei bis vier Weihnachtslieder, ein paar Weihnachtsplätzchen und ein paar Geschenke wären schön gewesen. Das hätte aber Rituale und Beziehungskitt vorausgesetzt. Der einzige Beziehungskitt, den ich hatte, schnarchte mit Speichelfluss auf einem meiner Kissen. Ich liebte dieses verrückte Huhn wie meine eigene Schwester, die ich niemals gehabt hatte. Wir beide waren Sünderinnen. Wir hatten keinen Anspruch auf ein normales Weihnachtsfest! Aber auch Sünderinnen hatten ihre Würde. Spätestens seit Monica Lewinsky.
Dann wurde Jana wach und fing an Stille Nacht zu singen.
„Ich bring dich um! Wenn du mit einem Kopf leben kannst, der alles im Moment nicht begreift, kannst du meinen gerne haben“, raunzte ich sie an.
„Liebling, ich darf keinen Alkohol, ich bin auf Droge“, griente Jana zurück. Ich zwickte ihr in den Po, bis sie laut aufschrie. „Kannste mal mein Händchen halten, büdde?“, fragte sie neckend. Danach gingen wir in die Küche, ekelten uns vor dem Kaffeegeruch und barzten eine nach der anderen. Die Verrückte holte aus ihrem Koffer eine kleine Schachtel, die in buntem Papier eingepackt war und schob sie mir verlegen herüber.
„Du Spinnerin“, sagte ich, „Ich habe kein Geschenk für dich!“
„Is’ kein Geschenk“, feixte Jana.
Es war ein glitzernder Vibrator mit extra Klitoris Stimulation. Er hatte ein ganz besonderes Plus: einen integrierten Flaschenöffner. Guten Appetit!
„’N Feierabendhammer“, raunte Jana mir zu.
„Wow, das ist doch der absolute Hammer!“, antwortete ich zwinkernd und knutschte sie wild.
Sie war eine Wahnsinnige, aber ich liebte sie.
Ich stand auf und ging zu meinem Küchenfenster. Auf dem Weg dorthin kam ich am Papierkorb vorbei und sah die Schnipsel vom
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